SWR3 Gedanken

03MAI2025
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„Wir müssen aufhören, in unserem Gegenüber nur einen Clown zu sehen“. Das habe ich vor kurzem in einem Podcast gehört. Um das Bild zu verstehen, musste ich erst die Geschichte dahinter recherchieren. Sie stammt von dem Philosophen Kierkegaard. Darin gerät ein Zirkus nahe einer Stadt in Brand. Der Zirkusdirektor schickt den Clown, um die Stadtbevölkerung zu warnen und um Hilfe zu bitten. Doch der ist schon für die Aufführung verkleidet. Die Dorfbewohner nehmen ihn nicht ernst und lachen nur. Als das Feuer auf das Dorf übergreift, ist es zu spät.

Es gibt ganz unterschiedliche Deutungen zu dieser Parabel. Aber bei dieser Deutung habe ich mich erwischt gefühlt: Das Lagerdenken in unserer Welt hat sich so vertieft, dass wir die politischen Gegner oft nur noch als Clown wahrnehmen. Egal was er sagt, wir halten es für lächerlich, für nicht ernst zu nehmen. Die Gefahr ist, dass wir das, was der andere vielleicht Wichtiges und Wahres zu sagen hat, gar nicht mehr hören. Dass Stillstand entsteht, wen sich die unterschiedlichen Seiten nicht mehr ernst nehmen. Mir fällt das schwer, da auszubrechen. Weil mich die Nachrichten, die tagtäglich auf uns einprasseln, wirklich manchmal nur kopfschüttelnd zurücklassen. Da ist es eben das Einfachste, den anderen abzustempeln, als nicht ernst zu nehmen.

Was aber, wenn in dem vielen, was ich nicht ernst nehmen möchte, doch auch Wahres steckt? Kritik, die berechtigt ist? Splitter in meinem Auge, die ich selbst nicht sehe? Aufhören den anderen nur als Clown zu sehen – es ist schon ein Risiko das zu wagen, wenn man nicht weiß, ob es andere auch tun. Ich glaube nur, die Alternative ist noch schlechter.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=42063
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