Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP
In unserer Kirchengemeinde besuchen wir immer mal wieder die älteren Gemeindemitglieder, die nicht mehr zum Gottesdienst kommen können. Mir tut es gut, wenn ich den Menschen damit eine Freude machen kann.
Vor kurzem war ich allerdings sehr ratlos bei einem Hausbesuch. Immer wieder hat mir die ältere Dame von ihrer Krankheitsgeschichte erzählt. Wie schlimm doch alles ist. Und wie traurig sie ist, dass sie nicht mehr zu den Gottesdiensten kommen kann. Ich habe die Geschichten schon von meinen letzten Besuchen bei ihr gekannt. Ihre Verwandten und eine Frau, die im Haushalt mitgeholfen hat, waren auch dabei. Die haben die Geschichten bestimmt noch viel öfter anhören müssen. Ich habe gemerkt, wie wir alle durch diese Leidensgeschichten immer bedrückter geworden sind. Wie sollte ich jetzt gut reagieren?
Aus Verlegenheit und um etwas abzulenken habe ich sie gefragt: „Wollen wir nicht ein Kirchenlied singen?“.
„Ja, ein Osterlied!“ hat sie sofort gesagt. Ihre Augen haben geleuchtet und sie war nicht mehr traurig so wie vorher. „Halleluja, Jesus lebt!“ haben wir dann alle laut gesungen und die Stimmung war verändert. Irgendwie waren wir alle durch das Osterlied auch froh geworden.
Ostern verändert meinen Blick auf das Leben. Für mich heißt Ostern auch, dass ich positive und schöne Dinge wahrnehme. Ich bin überzeugt, dass Gott mir immer wieder solche Zeichen schickt. Und er schickt sie auch dieser Frau: Klar, die Symptome ihrer Krankheit waren durch das Osterlied nicht abgeklungen, ihre Situation durchaus nicht einfach. Aber sie hat gespürt: Da geht noch was.
„Schauen Sie doch mal auf das, was Sie alles noch können!“, habe ich der Dame da gesagt. „Das ist viel mehr als alles, was nicht mehr geht. Schauen Sie mal, wie viele liebe Menschen für Sie da sind. Das sind Menschen, für die Sie wichtig sind!“.
„Und vergleichen Sie sich mit niemandem“, hat ihre Haushaltshilfe noch gesagt.
Die ältere Dame hat gelächelt und versprochen, dass sie in der nächsten Zeit mal positiver auf die Dinge schauen will. Mit dem Blick von Ostern. Ich bin gespannt, was sie bei meinem nächsten Besuch davon erzählt.
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