SWR Kultur Wort zum Tag
Heute, vor 80 Jahren, ist der Zweite Weltkrieg in Europa Geschichte: Die Deutsche Wehrmacht kapituliert bedingungslos. Ein Tag später, am 08. Mai 1945, tritt die Kapitulation in Kraft. Seitdem wird gestritten: Ein Tag der Niederlage? Ein Tag der Befreiung? Ein Tag der Erleichterung?
Ein Tag der Niederlage: Für alle, die die NS-Herrschaft bis zum Schluss verteidigt haben. Ein Tag der Befreiung: Von einem rassistischen, grausamen und menschenverachtenden Regime. Ein Tag der Erleichterung: Endlich keine Bomben mehr, keine Angst, endlich Frieden.
Niederlage, Befreiung, Erleichterung. Große Worte, die vor allem auf die Menschen zielen, die den Weltkrieg und den Terror der Nationalsozialisten überlebt haben. So wie meine Eltern. Die haben mir vom Fliegeralarm erzählt, vom Geräusch der Bomben, von der Verschickung mit der Eisenbahn.
Das waren schreckliche Zeiten, aber sie haben den Krieg überlebt. Millionen Soldaten dagegen starben grausam, Millionen Menschen wurden durch die Nazis verschleppt, vergast, erschossen, ermordet.
Meine Eltern haben beides in unserer Familie wachgehalten. Sie waren erleichtert über das Kriegsende, fühlten sich befreit. Und sie haben die grausamen Taten der Nazis weitererzählt. Haben in mir dieses Wissen gesät: So was darf nie wieder passieren. Sicher: Meine Eltern waren kleine Kinder im Krieg. Sie waren weder Nazis noch Mitläufer. Aber sie waren von ihrem christlichen Glauben her zutiefst davon überzeugt: Glaube, Herkunft, Name, Sprache, Hautfarbe – das alles darf keine Rolle spielen. Und meine Eltern haben das auch gelebt. Sie haben sich in unserer Pfarrgemeinde engagiert. Eine Partnerschaft zu einer französischen Gemeinde aufgebaut. Für sie war klar: Wenn wir andere Menschen kennen lernen, sie zu verstehen versuchen, Erfahrungen miteinander teilen, dann fängt der Friede erst richtig an.
Niederlage, Befreiung, Erleichterung. Das war meinen Eltern unwichtig. Wichtig war: So einen Krieg und so ein Terrorregime, das darf es nicht mehr geben. Meine Eltern wussten aus ihrem Glauben heraus: Jeder Mensch hat das Recht, in Frieden zu leben. Daran denke ich heute auch. In unserer aufgeheizten politischen Lage.
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