Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Hatten Sie über die Oster-Feiertage auch Besuch? Und haben Gäste oder Gästinnen eingeladen? Wenn Sie jetzt innehalten oder sich vielleicht sogar ärgern, weil ich „Gästin“ gesagt habe – dann kann ich das gut nachvollziehen. Mir ging es nämlich selbst so, als ich das Wort „Gästin“ zum ersten Mal gehört habe. Da habe ich gedacht: Gast ist doch schon neutral und schließt alle ein. Warum muss man die weibliche Form so betonen? Das provoziert doch nur, wenn wir es mit dem Gendern übertreiben. Doch mittlerweile habe ich etwas gelernt: Das Wort „Gästin“ ist gar keine neu erfundene Form, sondern über 200 Jahre alt. Zu finden im „Deutschen Wörterbuch“, dass die beiden Brüder Jakob und Wilhelm Grimm verfasst hatten. Ich will das genauer wissen und finde Folgendes: Dass es eine weibliche Form von Gast gibt, hat mit der Herkunft des Wortes zu tun: Gast stand für einen Mann und wurde ursprünglich auch im Sinn von Feind und Krieger verwendet. Und für den weiblichen Gast brauchte es später deshalb die Gästin.
Das mit dem Gendern irritiert viele. So wohl auch einen Radiohörer: Er hat auf einen Beitrag über Ostern reagiert, in dem wir von den Jüngern und Jüngerinnen Jesu erzählen. Der Hörer hat in einem etwas vorwurfsvollen Ton gefragt, ob die Kirche jetzt auch bei diesem „Mist“ mitmachen müsse - er war der Meinung, die Jüngerinnen seien eine Gendererfindung. Er hat sich getäuscht. Das Wort „Jüngerin“ taucht im Neuen Testament auf. Zwar nur einmal – aber tatsächlich waren etliche Frauen unter denen, die Jesus nachgefolgt sind. Das macht eindeutig klar: Es waren nicht nur Jünger, die alles in ihrem Leben zurückgelassen hatten, sondern eben auch Jüngerinnen.
Worauf es mir ankommt: Ich horche auf, wenn ich den Eindruck habe, dass Worte provokant oder ungerecht gewählt werden. Und ja, es ist wichtig, dass wir benennen, um wen es geht; Mann, Frau oder Menschen zwischen den binären Geschlechtern. Weil Sprache diskriminieren kann. Und deshalb gilt es so zu formulieren, dass es gerecht und präzise ist – und dass alle sichtbar werden.
Aber ich finde, es ist‘s nicht wert, dass wir wegen des Gender-Themas streiten. Es gibt genug anderes, zum Debattieren. Meine Haltung ist: Ein bisschen mehr Entspannung bei dieser Geschichte – denn am Ende sind wir alle in derselben Lage: Wir sind nur Gast oder Gästin auf Erden.
https://gfds.de/gaestinnen-eine-legitime-form/
https://www.kirche-im-swr.de/?m=42046