Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

02MAI2025
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Wie geht eigentlich trauern? Was macht man da? Mein Sohn hat mich das im vergangenen Jahr gefragt. Mehrfach. Innerhalb von wenigen Monaten sind drei Leute aus dem Familienkreis gestorben: Onkel Horst, Onkel Gerhard, Onkel Walter. Und dazu sein Kaninchen. Ich konnte ihm keinen wirklichen Ratschlag geben. Mir ist da bewusst geworden, dass ich das Thema Trauer selbst nicht richtig fassen kann, dass ich keine Worte habe. Weil ich nicht weiß, was da eigentlich mit mir passiert.

Jetzt, ein halbes Jahr später, ist aus der Frage für uns bei der katholischen Rundfunkarbeit ein Projekt geworden; weil nicht nur ich spüre: Beim Thema Trauer da gibt es viel Unsicherheit – und gleichzeitig großen Bedarf. Auch Hörer schreiben uns das immer wieder.

Ich habe mit Trauerbegleitern geredet, habe ein Praktikum bei einem Bestatter gemacht, habe einen besonderen Friedhof angeschaut und viel gelesen. Um zu verstehen, wie wir als Gesellschaft mit Trauer umgehen.

Mein Eindruck ist: Trauern ist für viele ein Tabu-Thema geworden. Weil Menschen nicht gut mit Veränderung im Leben umgehen können. Und sich verabschieden zu müssen, ist eine ganz besondere Herausforderung. Von Menschen oder Orten, von Lebensträumen, vom Job oder dem Berufsleben, von Beziehungen. Wir trauern ja nicht nur, wenn jemand stirbt.

Warum das so ist? Ich habe dafür zwei wesentliche Erklärungen gefunden: Wir leben in einer Zeit, in der für viele an erster Stelle steht: glücklich sein und gute Gefühle haben. Da ist wenig Platz für negative Emotionen. Unsere Leistungsgesellschaft verlangt außerdem, möglichst immer zu funktionieren. Zum zweiten: Traditionen und Trauerrituale sind verloren gegangen. Nur ein Beispiel: Wo es früher noch ein Trauerjahr gab und Menschen dunkle Kleidung getragen haben, da können wir heute nicht mehr so einfach erkennen, ob jemand trauert.

Wir möchten jetzt die Themen Trauer und Abschiednehmen sichtbar machen und gehen deshalb in die Öffentlichkeit. Mit Geschichten und Musik. Wir wollen signalisieren: Trauern gehört zum Leben. Es gibt kein Leben ohne Abschiede – und die verändern uns. Diese Veränderung gilt es anzunehmen, damit wir gut weiterleben können. Unser Projekt trägt deshalb den Titel „Trauern erlaubt!“. Ende Mai sind wir mit einer ersten Veranstaltung in Plochingen unterwegs.

Auf die Frage „Wie geht trauern?“ werden wir keine Antwort finden, die für alle passt. Weil jeder anders trauert. Meinem Sohn hat es geholfen durch Musik mit den Onkeln immer wieder verbunden zu sein: Er hat sich eine Playlist erstellt mit deren Lieblingssongs. Wenn also mal wieder „Griechischer Wein“ oder „Ich war noch niemals in New York“ läuft, dann weiß ich, wo er mit seinen Gedanken gerade ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=42045
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