Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Ostern klingt noch nach in mir. Aber anders als in all den Jahren zuvor. An Ostern feiern Christen die Auferstehung Jesu vom Tod. Ich war lange ziemlich unsicher: Wie soll ich mir diese Auferstehung vorstellen? Wie kann ich sie verstehen? Jetzt habe ich eine Antwort gefunden, die für mich passt.
Mir fällt es schwer zu glauben, dass Jesus nach dem Tod am Kreuz körperlich genesen ist und tatsächlich wieder geatmet hat. Woran ich aber fest glaube: Jesus ist nach seinem Tod nicht einfach verschwunden. Und das hat für mich einen Grund: Er hat Menschen durch sein Leben so tief berührt und bewegt, dass er mit ihnen auch nach seinem Tod verbunden war. Mit Maria Magdalena, die ihm an Ostern als erste begegnet; oder mit den beiden Jüngern, die berichten, wie er sie auf ihrer Flucht vor dem Kreuz und auf dem Weg nach Emmaus begleitet. Diese Begegnungen müssen weit mehr gewesen sein als eine bloße Erinnerung an Jesus. Ich denke, die Jünger und Jüngerinnen haben seine Anwesenheit leibhaftig gespürt. Weil seine Energie geblieben ist; über den Tod hinaus.
Diese Vorstellung beschäftigt mich, seit ich mit dem Philosophen Wilhelm Schmid gesprochen habe. Er hat mir vom Tod seiner Frau erzählt, die Beziehung zu ihr war sehr eng. Für ihn war dieser Tod trotzdem nicht das Ende ihrer Liebe. Nur der „Aggregatzustand“ hat sich verändert, so hat er es formuliert. Aber die Energie seiner Frau, die sei geblieben. In manchen Situationen sei sie ihm noch heute so nahe, als ob sie real da wäre. Auch wenn es ihm natürlich weh tut, dass seine Frau nicht mehr körperlich da ist, er ist noch immer erfüllt von ihrer Liebe.
Liebe, das ist das große Wort im Christentum. Um nichts Anderes geht es. Gott hat seinen Sohn aus Liebe zu den Menschen gesandt. Jesus hat die Menschen geliebt, so radikal und ohne Kompromisse, dass er am Ende deshalb sterben musste.
Die für mich schönste und einfachste Beschreibung, wer oder was Gott ist, steht in der Bibel und lautet: „Gott ist Liebe“ (1Joh 4,16). Und dann ergibt das alles für mich einen Sinn: Die Auferstehung Jesu ist eine Liebesgeschichte, die nie endet. Zwischen dem Vater im Himmel und dem Sohn auf unserer Welt, zwischen Jesus und seinen Jüngerinnen und Jüngern. Eine Liebesgeschichte, die jedes Jahr an Ostern wieder erzählt wird. Und die mich jetzt nochmals ganz neu fasziniert hat.
Wilhelm Schmid: Den Tod überleben. Vom Umgang mit dem Unfassbaren, Insel Verlag
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