SWR Kultur Wort zum Tag

26APR2025
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Die Nacht, die in den Tag mündet. Die gehört für mich unbedingt zu Ostern. Und dieser Übergang vom Dunkel ins Licht ist auch eine Woche danach sehr präsent. Weil er mir für mein ganzes Leben eine Perspektive gibt und deshalb heilig ist. Die Nacht und alles, was zu ihr gehört, verwandelt sich, wenn der neue Tag anbricht. Für mich gibt es kein stärkeres Zeichen für Ostern.
Ich feiere die Nacht auf Ostern so gut wie immer in einem Gottesdienst. Aber das bräuchte es gar nicht unbedingt. Als während Corona keine Gottesdienste an Ostern erlaubt waren, habe ich mich mit Freunden und Nachbarn in meinem Garten versammelt. Auch am späten Abend und mit Kerzen, um der Nacht etwas entgegenzusetzen. Und eben nicht allein, sondern mit anderen: die Nacht teilen, den Übergang gemeinsam erwarten. Wir haben ein Feuer angezündet und dort miteinander ausgeharrt, wo es dunkel und kalt war. Ich habe eine Bibelstelle gelesen und wir haben uns dazu ausgetauscht. Und am Ende, bevor es etwas Brot und Tee gab, haben wir ein altes Osterlied gesungen. Ein Lied von der Nacht, die vorüber ist und vom Licht, mit dem Gott unsere Welt hell macht. Ein Lied vom Licht, das sogar die größte Dunkelheit nicht aufhalten kann.
Dieses Lied ist für mich aber nicht nur Musik. Es ist in mir da, auch wenn ich gar nicht wirklich singe. Im übertragenen Sinn, als Bild drückt es meine Sehnsucht aus, dass alles gut werden kann. Es ist so etwas wie eine „Lebensmelodie“, die in mir singt und klingt. Auf einen genauen Text und die Noten kommt es also gar nicht mehr an. Wichtig ist mir nur, dass dieses Lied nicht verstummt. Ich habe es auch jetzt an Ostern gesungen. Mit meinen Worten, die jedes Jahr anders sind, weil die Welt nicht stehen bleibt und die Dunkelheiten sich verändern. Mal sind es weniger, mal sind es mehr wie im Augenblick. Umso wichtiger ist es, dieses „Lied“ zu singen.
Es handelt davon, dass die Wahrheit immer ans Licht kommt und die Lügen entlarvt werden. Es erzählt, wie wichtig es ist, frei zu sein, sagen zu dürfen, was man denkt, der sein zu dürfen, der man eben ist. Mein Osterlied singt in diesem Jahr von der Sehnsucht, dass die Kriege ein Ende haben, kein Kind mehr misshandelt wird. Dass wir den Wert jedes einzelnen Lebens für unendlich wertvoll halten. Und in der letzten Strophe steht meine größte Hoffnung: dass ich die Menschen, die ich geliebt habe und liebe, einmal wiedersehe nach meinem Tod. Und dass es dort keine Nacht mehr geben wird. Nur Licht, immerwährende Klarheit.


1 Genesis 1,27

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