SWR Kultur Wort zum Tag

24APR2025
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Jungs haben es schwer. Zumindest, wenn sie noch mitten in der Pubertät stecken, und nicht wissen, was sie wollen und wer sie eigentlich sind. Weniger jedenfalls als die gleichaltrigen Mädchen. Ich sehe das an meinen Schülern in der 9. und 10. Klasse. Früher war ziemlich klar definiert, was von ihnen erwartet wird. Jungs sollten wissen, was sie wollen, stark sein, beschützen können. Ein kräftiger Händedruck war gut. Männlich eben. Wie es sich im Laufe der Jahrhunderte eingespielt hatte, um erfolgreich zu sein.
Inzwischen ist das anders. Und dass es so ist, finde ich richtig und gut. Aber es macht es für die Jungs eben schwieriger. Oft sind die Mädchen in der Schule erfolgreicher. Sie können sich besser im Unterricht konzentrieren und erfüllen mehr, was ihre Eltern erwarten. Auch wenn’s um die Liebe geht, ist beileibe nicht mehr so klar, was von einem Jungen erwartet wird: cool sein oder zärtlich oder durchtrainiert. Einer, der die Führung übernimmt oder lieber in der zweiten Reihe unterstützt. Oder am besten alles zusammen?
Ich widme diese Sendung einem fast Fünfzehnjährigen, mit dem ich hin und wieder zu tun habe. Er kämpft sich durch die Pubertät und erlebt sein Leben auch als einen Kampf. Mit den Eltern und Lehrern, mit seinen jüngeren Geschwistern, mit den Gleichaltrigen in der Schule. Ich spüre, dass es unübersehbar vor allem auch ein Kampf mit sich selbst ist. Die Fragen, die dabei auftauchen, stehen ihm ins Gesicht geschrieben: „Was wollen die nur alle von mir? Bin ich ok, wie ich bin? Wie komme ich einigermaßen durch die Schule und finde einen Beruf, der zu mir passt?“ Meistens will er am liebsten nur seine Ruhe haben.
Wenn ich mit ihm zu tun habe, höre ich oft nur zu, was er erzählt. Was gar nicht viel ist. Nur kleine Schlaglichter aufs Familienleben, die Schule, und was er sonst so tut. Ich gebe kaum Ratschläge. Mir ist im Grunde nur eines wichtig: Er soll spüren, dass er in Ordnung ist. Als Junge, als Fünfzehnjähriger, mit seinen Ecken und Kanten, auch wenn er übers Ziel hinausschießt und frech und faul ist. Mal männlich, mal weniger männlich, mal eher weiblich. Wie es seit kurzem in der katholischen Einheitsübersetzung der Bibel auch heißt: Gott erschuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes erschuf er ihn. Männlich und weiblich erschuf er sie1. Beides gehört zu jedem von uns, und es braucht Zeit, um es zu verstehen, richtig damit zu leben. Vieles weiß der fünfzehnjährige Junge noch nicht. Muss er auch nicht. Aber ihn und seine Altersgenossen zu unterstützen, ihnen Mut zu machen, das liegt mir am Herzen.਍

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