SWR4 Abendgedanken
Eine Krippe an Ostern? Also sozusagen Weihnachtsfeeling in den Ostertagen? Das gibt’s bei uns in der Kirche. Dort, wo im Winter sonst die Krippe steht, ist jetzt auf drei mal zwei Metern eine Osterlandschaft aufgebaut. Es gibt ein kleines Stadttor, einen Miniatur-Garten mit Bäumchen und schmalen Sandwegen, einen Hügel mit drei kleinen Kreuzen und eine Höhle aus Steinen, vor der eine brennende Kerze steht. Drumherum blühen Tulpen und Narzissen und es duftet nach Moos und frischer Erde. Frauen aus unserer Gemeinde haben diesen kleinen Ostergarten angelegt. Von Palmsonntag, über Gründonnerstag und Karfreitag bis Ostern ist immer wieder was dazugekommen.
Statt der Weihnachtsgeschichte also Ostern erleben. Schon im Mittelalter hat es solche sogenannten Passionskrippen gegeben, und damit konnten auch diejenigen, die nicht lesen konnten, die Geschichte von Tod und Auferstehung Jesu verstehen. Heute fasziniert der Ostergarten vor allem Kinder. Und ich stehe auch gern davor – gerade in der Woche nach Ostern.
Denn jetzt, wo alle Feiertage vorbei sind und der Ostergarten komplett ist, sehe ich auf einen Blick das ganze Osterpanorama. Und ich sehe, wie verschieden und vielfältig die einzelnen Tage sind.
Es geht los mit dem Palmsonntag, an dem Jesus nach Jerusalem kommt. Die Menschen stehen am Straßenrand und jubeln ihm zu. Sie feiern und freuen sich. Dann der Gründonnerstag mit dem letzten Abendmahl. Jesus ringt mit seinem Schicksal und wird verhaftet. Am Karfreitag wird er gekreuzigt, stirbt und wird begraben. Und an Ostern erscheint er seinen Freundinnen und Freunden als der Auferstandene. So viele Stimmungen und Gefühle geballt in nur wenigen Tagen: Freude, Verzweiflung, Schmerz, Tod und am Ende doch neues Leben und Hoffnung. All das steckt in Ostern.
Und ich finde mich darin wieder: Finde die Freude, die ich spüre, wenn ich bei der Arbeit ein wichtiges Projekt geschafft habe. Ich spüre Verzweiflung, wenn ich die Nachrichten sehe von Krieg und Katastrophen. Ich kenne Schmerz und fühle mich machtlos, weil eine Freundin Depressionen hat und ich nichts tun kann. Und ich spüre die Hoffnung, wenn sich jemand nach dem Tod eines geliebten Menschen wieder ins Leben zurückkämpft und eine neue Perspektive sieht.
Der Blick über den Ostergarten zeigt mir, dass ich für das, was ich erlebe, Anknüpfungspunkte im Leben von Jesus finden kann. Das entlastet mich, denn ich sehe, dass ich damit nicht allein bin. An Ostern wird zusammen gefeiert, was Menschen schmerzt und was sie freut. Sie tragen es als Bitte im Gottesdienst vor oder genießen die Gemeinschaft und die Gespräche am Osterfeuer.
Und daran denke ich jetzt nochmal, wenn ich in der Kirche den Ostergarten anschaue. So bunt und reich ist Ostern, einfach voller Leben.
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