SWR Kultur Wort zum Tag

19APR2025
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Die Kirche ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Bachs H-Moll-Messe steht auf dem Programm. Im Credo, dem Glaubensbekenntnis, herrscht auf einmal völlige Stille. Kein Orchester. Kein Chor. Generalpause!  Der Chor hat sein „sepultus est“ gesungen. Auf Deutsch: “Er ist begraben worden!“ Eine ungeheure Spannung liegt in der Luft. Bis es weitergeht mit dem triumphierenden „Et ressurexit!“ „Er ist auferstanden!“

Der heutige Karsamstag hat für mich etwas von einer solchen Generalpause, dieser eine Tag zwischen Karfreitag und Ostern. In den Kirchen stehen da meist keine Blumen auf dem Altar. Es gibt auch kein Glockengeläut. In manchen Gegenden Süddeutschlands oder Österreichs sind Rätschen zu hören, hölzerne Geräte, die knarrende Laute von sich geben. Manche Altarflügel mit ihren bunten Bildern sind verhüllt. Die normalen Abläufe – sie sind unterbrochen. Zumindest im Kirchenjahr. Bevor dann in der Osternacht lautstark der Osterjubel einsetzt.

Für mich ist diese Generalpause mehr als ein Überbleibsel aus vergangenen Zeiten. Für mich ist sie ein Bild dessen, was mein Leben oft ausmacht. Eine Unterbrechung reiht sich an die andere. Meist tun mir Unterbrechungen von vertrauten Abläufen erst einmal gut, wie der Verzicht auf Süßes oder auf Alkohol in der Passionszeit. Ein kleines Fastenzeichen, mit dem ich übe, was das heißt, sich im Gewohnten zu unterbrechen. Unterbrechungen können mich aber auch völlig unerwartet und schrecklich treffen. Dann steht von einem Moment auf den anderen die Welt still. Generalpause – ohne Vorwarnung. Dann ist es wichtig, dass ich mir diese Unterbrechung zugestehe. Dass ich die Stille der Pause aushalte. Dass ich – in aller Wut oder in allem Widerstand – damit rechne, dass das Leben irgendwann wieder in Bewegung kommt. Dass ein neuer Einstieg ins Leben möglich wird.

In der Musik gibt es solche Generalpausen immer genau dann, wenn ein grundsätzlicher Umschwung angedeutet wird. Wie eben im Credo nach dem Bericht über Jesu Tod – ehe die Auferstehung besungen wird. Aus der Stille erwächst der Neuanfang, wie dem Karfreitag der Ostermorgen folgt. In der Feier der Osternacht kann ich das erleben. Die Generalpause des Karsamstags ist vorüber. Da wünsche ich mir, dass sich Vergleichbares in meinem Leben doch auch ereignet. Ein kleines Osterfest, mitten im bedrängenden Alltag. Immer wieder.

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