SWR4 Abendgedanken
Es gibt so viele Probleme in unserer Zeit. „Warum packen wir sie nicht endlich richtig an?“ – das fragen sich vielleicht die, die zu Demonstrationen aufrufen.
So ähnlich haben die Menschen in Jerusalem vermutlich auch gedacht, vor fast 2000 Jahren. Die Bibel erzählt davon: Es hatte sich herumgesprochen, dass ein Mann in die Stadt kommt, der auf eine Weise besonders ist: Jesus. Und die Hoffnungen, die man auf Jesus gesetzt hat, waren groß. Ein Ruf scheint ihm vorausgeeilt zu sein: Dass er den Menschen guttut. Dass er zuhört und heilt, dass er niemanden ausgrenzt und geringachtet, dass er von einem Gott erzählt, der nahe bei den Menschen ist, und dass er Vergebung bringt. Dass er Lösungen hat für die Sorgen der Leute in seinem Land. Die Menschen, die unter der politischen Bevormundung durch die Besatzungsmacht gelitten haben, haben sich viel von ihm versprochen.
Was für eine Stimmung muss es gewesen sein, als er dann auf einem Esel in die Stadt geritten gekommen ist! Erleichterung und Jubel sind ihm entgegengerufen worden. Es heißt, dass manche Menschen Palmwedel und sogar ihre Gewänder auf den Boden geworfen haben, damit er bequem darüber reiten konnte.
Ich denke mir: Viele Menschen heute wünschen sich wieder so eine Gewissheit. Dass einer kommt, eine Partei, oder ein Glaube, der es mit den Sorgen unserer Zeit aufnehmen kann. Der Frieden bringt und Antworten hat in diesen komplizierten Zeiten.
Leider gibt es heute wie damals bei Jesus nicht nur die große Sehnsucht nach Frieden und Heil und nach Menschen, die das garantieren können. Heute wie zu Jesu Zeiten gibt es auch die Gegenkräfte: Menschen, die andere Erwartungen haben oder die nur die Antworten hören wollen, die ihnen in den Kram passen. Jesus hat sich damals auch viele Feinde gemacht.
Mich erinnern die Protestversammlungen von heute an das, was Jesus bei seinem Einzug in Jerusalem begegnet ist: eine große Sehnsucht. Und oft erschreckt es mich, dass sich anscheinend in zweitausend Jahren an den Mechanismen, die die Hoffnung zerschlagen, nichts geändert hat. Jesus hatte Antworten, die auch heute noch richtig sind und die zum Glück – bei allem Widerstand – in zweitausend Jahren nicht verstummt sind.
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