SWR Kultur Wort zum Tag

14APR2025
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„Stille Woche“ wird die Karwoche genannt. Dabei ist es damals in Jerusalem gar nicht leise zugegangen. Die Evangelien berichten: Jesus hat getobt und gewütet, er ist sogar ungerecht und verletzend. Bekannt ist die Szene, in der Jesus die Händler und Geldwechsler aus dem Tempel vertrieben hat. Weniger bekannt ist, dass Jesus einen Feigenbaum verflucht und ihn verdorren lässt, weil der Baum keine Früchte trägt. Die arme Pflanze ist dabei völlig unschuldig, denn es war an diesem Frühlingstag nicht die Jahreszeit für Feigen.

Ich bin froh darüber, dass die Jüngerinnen und Jünger die Erinnerung daran bewahrt haben. Jesus weiß, ahnt zumindest, dass sein Tod kurz bevorsteht. Noch vier Tage, und er wird am Kreuz sterben. Er flucht, bevor der Tag kommt, an dem andere ihn verfluchen werden, sein Leben verdorren lassen wie diesen Feigenbaum am Weg.

Wenn ich als Seelsorgerin Menschen begleitet habe, deren Leben sich dem Ende zuneigte, dann waren die auch nicht immer sanft. Nicht jeder kann ruhig eine schwere oder tödliche Krankheit akzeptieren, lebenssatt Abschied nehmen und friedlich mit einem Lächeln auf den Lippen sterben. Wahrscheinlich kennen Menschen, die im Krankenhaus oder im Hospiz begleiten, auch das: Diesen Zorn von Sterbenden gegenüber denen, die weiterleben können. Eine bittere Wut, die ganz oft ungerecht wirkt und verletzend. Es gibt Menschen, die zum Ende des Lebens ungeahnte Kräfte entwickeln und um jeden Atemzug kämpfen. Gegen den Tod. Und gegen die, die sie begleiten.

Ich meine: Für sie alle ist diese Geschichte vom ersten Tag der Karwoche festgehalten worden. Jesus kennt auch das: Diese Wut über den Tod, vielleicht auch die Scham darüber, ungerecht zu sein und in der Erregung gerade die zu verletzen, die am wenigsten dafür können. Gut, wenn es Menschen gibt, die das aushalten. So wie die Jüngerinnen und Jünger, die - zumindest an diesem Tag vor Jesu Tod in Jerusalem - bei ihrem Herrn geblieben sind.

So kann die Geschichte von Jesus, der einen Feigenbaum verflucht, trösten. Jesus kennt Zorn. Kennt auch Wut. Zeigt, dass das sein darf.

Am Ende eines Lebens sind keine moralischen Appelle angebracht. Sterbende sollte man nicht erziehen. Wer weiß, wie es mir einmal geht, wenn das Ende meines Lebens kommen wird. Ich wünsche mir dann Menschen an meiner Seite, die verständnisvoll sind. Die mich, hoffentlich, lieben können. Zumindest ertragen mögen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41962
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