SWR3 Gedanken
„Entschuldigen Sie bitte, darf ich Sie kurz stören?“ Ein Mann spricht mich an und ich nicke. „Ich lebe auf der Straße und habe Hunger und versuche gerade mir etwas zu Essen zu besorgen. Deshalb wollte ich fragen, ob Sie 50 Cent für mich hätten. Das wäre sehr freundlich.“
Ich bin auf einer Bank in der Einkaufsstraße gesessen. Neben mir eine Tüte mit dem, was ich gekauft hatte. Der Mann war ausgesprochen höflich. Hat etwas Abstand gehalten und mich freundlich angeschaut. Mein erster Impuls war ihm zu sagen: „In Deutschland muss keiner auf der Straße leben“. Ich war schon dabei Luft zu holen und das zu sagen. Da hab ich mir überlegt, was ihm das bringt. Und dann war ich kurz davor zu fragen, ob er auch wirklich Essen kaufen will und keinen Alkohol. Und wieder hab ich gedacht, wie dumm und besserwisserisch ich bin. Wenn Alkohol das wäre, was er jetzt bräuchte, dann wäre es eben so. Was weiß ich schon von ihm.
Mich hat dieser Mann irgendwie beeindruckt. In seiner Höflichkeit. Und auch in seiner Bescheidenheit. Mit Blick auf meine Einkaufstasche neben mir war ja klar, dass 50 Cent für mich nicht so viel sind wie für ihn. Ich hab ihm dann die 50 Cent gegeben. Er hat sich bedankt und ist mit Freunden weiter gelaufen.
Ich war etwas beschämt von dieser Begegnung und meinen Vorurteilen und meiner Besserwisserei. Was weiß ich schon, warum der Mann so lebt, wie er lebt. Wie sein Leben verlaufen ist und was für Kämpfe er kämpfen muss.
Ich weiß nicht, ob es richtig war, ihm das Geld zu geben. Aber es hat sich richtig angefühlt in diesem Moment. Vor allem ihm keine gut gemeinten, aber richtig blöden Sprüche reinzuwürgen.
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