Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Ein Labyrinth aus Kerzen in einem Knast – das haben Inhaftierte in der Justizvollzugsanstalt Freiburg aufgebaut. Und sie haben es nicht nur aufgebaut, sondern sind auch durchgelaufen. 700 Meter lang ist der Weg durch das Kreislabyrinth mit seinen 16 Metern Durchmesser.
Die Idee zu dem Projekt hatte der Gefängnisseelsorger Martin Vrana, weil er immer wieder von Inhaftierten hört: „Wenn ich hier rauskomme, dann nehme ich den geraden Weg.“ Aber Martin Vrana hält dagegen: „Der gerade Weg – was soll das für einer sein? Lebenswege sind nun mal nicht gerade.“ Und deshalb ist er auf die Idee mit dem Labyrinth gekommen.
Schon der Aufbau zusammen mit ca. 20 Gefangenen war eine Art Meditationsübung. In der Gefängnis-Sporthalle haben sie Teelicht an Teelicht gestellt, möglichst gleichmäßig, über 1000 Stück bis das Labyrinth nach dem Vorbild aus der Kathedrale von Chartres fertig war. Während des Aufbaus sind immer wieder Angestellte vom Schließdienst vorbeigekommen und haben interessiert zugeschaut. Und dann am frühen Abend ist alles angerichtet. Die Kerzen werden nach und nach entzündet, und am Schluss das grelle Neonlicht ausgeschaltet. Und plötzlich entsteht da in der Halle mit den Turnmatten und den Sprossenwänden eine magische Atmosphäre, und alle werden ganz ruhig, fast andächtig.
Die Inhaftierten machen sich einzeln auf den Weg, schön langsam und mit einem Windlicht in der Hand. Einer sagt später: „Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken und habe an meine Familie gedacht.“ Ein anderer gesteht: „Ich dachte, das nimmt ja kein Ende hier – genau wie im Knast.“
Der Gefängnisseelsorger ist überzeugt: „Es gibt keinen besseren Ort, an dem das Symbol des Labyrinths besser passt als im Gefängnis. Denn hier stellt man sich die Frage, ob man in einer Sackgasse gelandet ist, oder ob die Haft doch eher ein Stück eines Weges ist, der wieder eine neue Wende nehmen kann.“
Genau für diesen Gedanken steht das Labyrinth – und ganz bestimmt nicht nur für Inhaftierte: Es gibt immer einen Weg aus dem Schlamassel raus, Lebenswenden gehören zum Leben dazu, umkehren ist immer möglich. Und die kleinen Lichter rechts und links des Weges - die helfen, weil sie Orientierung geben. Und das nicht nur in hellen Phasen, sondern gerade dann, wenn man mal auf der dunklen Seite des Lebens steht.
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