Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Was unterscheidet diese Nacht von allen anderen Nächten? Diese Frage wird heute Abend in vielen Häusern auf der ganzen Welt gestellt. Jüdinnen und Juden feiern nämlich heute den Beginn des Pessachfestes. An diesem Festabend ist vieles anders – nicht nur, dass immer ein Platz am Tisch frei bleibt.
Was unterscheidet diese Nacht…? Die Frage darf in jüdischen Familien heute das jüngste Kind am Tisch stellen. Und dann wird die Geschichte der Befreiung erzählt:
Wie Sklaven, so erzählt die Bibel, lebten das Volk der Israeliten zur Zeit der Pharaonen in Ägypten. Die Fremden werden als billige Arbeitskräfte ausgebeutet. Sie müssen schwer schuften, werden misshandelt, haben keine Rechte.
Die Menschen leiden – bis Gott Moses nach Ägypten schickt. Er soll den Pharao bewegen, das Volk Israel freizulassen. Doch Moses Verhandlungen mit dem machtbesessenen König scheitern. Auch die Ägypter müssen unter den Folgen der Politik des Pharao furchtbar leiden – aber der hat kein Einsehen.
In einer dramatischen Flucht führt Mose das Volk schließlich aus Ägypten. Die Armee des Pharao jagt ihnen nach – aber am Ende versinkt sei in den Fluten. Die Unterdrückten sind frei.
Diese Befreiung feiern heute Abend Jüdinnen und Juden auf der ganzen Welt: Dass Gott auf der Seite der Unterdrückten steht. Und dass sie am Ende frei sein werden
Jesus war auch Jude. Und auch er hat natürlich Pessach gefeiert: Mit seinen Freunden gegessen, Brot und Wein geteilt und die Freiheit gefeiert. Jedes Jahr, ein letztes Mal noch kurz vor seinem Tod. Deshalb: Wenn ich in der Kirche das letzte Abendmahl Jesu feiere und dort Brot und Wein teile, erinnert mich das auch an die Hoffnung auf Freiheit und Gerechtigkeit – und zwar für alle Menschen, die unterdrückt werden, egal, welche Religion, Nationalität, Hautfarbe oder welches Geschlecht jemand hat.
Was mir am jüdischen Fest heute besonders gut gefällt: Traditionell wird da ein Stuhl an der Festtafel freigehalten. In der Hoffnung, dass eines Tages der Prophet Elia zum Fest erscheint. Und dann der Messias kommt. Und endlich alles gut wird.
Einen Stuhl am Tisch freihalten – ich finde, das ist ein gutes Zeichen. Das sollte man öfter tun. Einen Platz freihalten am Tisch – und auch im Kopf: Platz für neue Gedanken, unbekannte Menschen, unerwartete Begegnungen. Und für die Hoffnung.
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