Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Menschen gehen zu Gott in ihrer Not – so beginnt ein Gedicht von Dietrich Bonhoeffer. Heute vor 80 Jahren wurde der Pfarrer im Konzentrationslager Flossenbürg erhängt. Bonhoeffer hatte sich dem Widerstand gegen das Nazi-Regime angeschlossen – und hat das mit dem Leben bezahlt. In den frühen Morgenstunden des 9. April 1945 ist er gestorben.
Menschen gehen zu Gott in ihrer Not, so beginnt Bonhoeffers Gedicht. Geschrieben hat er es wohl im Sommer 1944. Da saß er schon im Gefängnis:
Menschen gehen zu Gott in ihrer Not,
flehen um Hilfe, bitten um Glück und Brot
um Errettung aus Krankheit, Schuld und Tod…
Bonhoeffer selbst hat in seinem Leben viel und intensiv gebetet. Nicht nur in der Not. Der Todesstrafe ist er trotzdem nicht entkommen. Für manche wäre das ein Beweis, dass es Gott nicht gibt. Weil er eben nicht hilft. Bonhoeffer hat das anders gesehen. Weil er Gott anders gesehen hat. Sein Gedicht geht so weiter:
Menschen gehen zu Gott in Seiner Not,
finden ihn arm, geschmäht, ohne Obdach und Brot…
Für Bonhoeffer ist Gott so, wie er sich in Jesus gezeigt hat. Ein Gott, der selbst arm ist. Und der am Ende sogar leidet und stirbt. Eigentlich ein verrückter Gedanke: Christen stehen bei Gott in seinen Leiden. So endet die zweite Strophe von Bonhoeffers Gedicht.
Mir ist das, was Dietrich Bonhoeffer da gesagt hat, wichtig. Gerade weil es immer Leute gibt, die behaupten: Ob Gott in deiner Nähe ist, das merkst du vor allem daran, dass er dich stark macht. Und wenn jemand Macht hat, dann muss Gott ja bei ihm sein. So ähnlich scheinen es auch die Macher des neuen Spielfilms über Dietrich Bonhoeffer zu sehen, der zu seinem Todestag rausgekommen ist. Bonhoeffer wird da vor allem stark und heldenhaft dargestellt. Sogar sein Ende hat im Film etwas Heroisches.
Es stimmt schon, Bonhoeffer hat mutig gehandelt, anders als die meisten Kirchenleute seiner Zeit. Sein Glaube hat ihm Kraft gegeben. Aber seine Briefe zeigen: Er hat auch an sich gezweifelt. Er wusste, dass niemand frei von Schuld bleibt. Und er hatte Angst.
Dietrich Bonhoeffer war überzeugt: Gott ist nicht zuerst bei den Siegertypen. Sondern genau da, wo die Not am größten ist. Und Gott leidet mit denen, die es am härtesten trifft. Kraft, etwas zu verändern, hat Gott auch so: Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig, sagt Jesus.
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