Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

08APR2025
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Um unser Haus herum wird es wieder bunt! Hyazinthen, Osterglocken und erste Tulpen strecken ihre Blüten in die Sonne. Ein richtiges Geschenk ist das jedes Jahr, wenn sich der Garten so schmückt.

Allerdings: Manchmal beschleicht mich ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich mich da umschaue: Eigentlich kümmern wir uns viel zu wenig um den Garten…

Unser Weinstock, der jetzt noch blattlos an der Hauswand rankt, ist so ein Beispiel. Bald wird er sich, wie jedes Frühjahr, in freundliches Grün hüllen. Und jeden Sommer reifen zuverlässig die Trauben. Aber wir beschneiden ihn nicht – oder nur so, dass man wieder zur Tür reinkommt. Wir schützen ihn auch nicht vor Schädlingen. Deshalb: Wenn im Herbst die Trauben reif sind, werden viele braun von irgendeinem Pilz. Nur wenige essen wir – die meisten bleiben hängen und fallen irgendwann auf den Boden. Schade drum…

Am Weinstock wird das Gartenproblem sichtbar – aber er erinnert mich auch an andere Versäumnisse. Es gäbe so viel Sinnvolles zu tun - aber es passiert nicht, weil mir die Motivation fehlt, oder auch die Kraft. Und Erwartungen von anderen enttäusche ich auch immer wieder. Das schlechte Gewissen betrifft nicht nur den Garten…

Letztes Jahr im Herbst ist ein Besucher über unseren Hof gelaufen und hat den struppigen Weinstock mit den angemoderten Trauben genau betrachtet. Ich habe mich gleich noch ein bisschen mehr geschämt. Aber dann hat der Besucher zufrieden gesagt: Ich finde das wirklich schön, dass ihr die Trauben den Vögeln lasst. Die freuen sich.

Den Satz fand ich tröstlich. Er hat mir gutgetan – und ich versuche, auch andere Dinge in meinem Leben aus dieser Perspektive zu sehen. Es stimmt ja: Nicht immer entsteht ein Schaden, wenn ich etwas nicht in Angriff nehme. Manchmal kann es sogar nützen, etwas einfach sein zu lassen: Wenn ich mich raushalte, findet vielleicht jemand anders eine Lösung, auf die ich nie gekommen wäre. Kreativ werden kann man sowieso nur da, wo nicht jede Ressource optimal verplant und genutzt ist. Und manchmal brauchen Menschen oder Dinge einfach Zeit – und nichts wird besser, wenn man an ihnen herumzerrt.

Auch die bunten Frühlingsblumen im Garten machen mir Mut zum Seinlassen. Sie kommen von selbst. Und blühen wunderschön. Solange halt niemand zu motiviert den Rasen mäht…

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41924
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