SWR4 Abendgedanken

11APR2025
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Ich habe mich mit einem Mönch über den kommenden Sonntag unterhalten. Den sogenannten Palmsonntag. Ich sage ihm, dass ich diesen Tag nicht so mag. Da steckt viel zu viel drin für einen einzigen Gottesdienst. Jesus kommt nach Jerusalem, wird überschwänglich empfangen, bejubelt. Und gleichzeitig geht es um seinen Tod, der immer näher kommt, dass er angeklagt wird, zum Tod verurteilt, schließlich am Kreuz stirbt und dann auch noch um seine Auferstehung. Ich komm da gar nicht hinterher. Bruder Benedikt sagt mir darauf, dass er diesen Tag genau deswegen so mag, weil da alles drin ist. Für ihn wird an diesem Tag die ganze Kar- und Osterwoche schon ein wenig gefeiert. Jubel, Angst, Tod, neues Leben. Alles wird im Gottesdienst am Palmsonntag komprimiert. Wo wir sonst nur an das eine oder andere denken und es nacheinander feiern, wirkt der Palmsonntag wie ein Brennglas, das alles bündelt. Und er sagt weiter zu mir: „Unser Leben ist doch auch so. Es ist nicht einfach eingeteilt: Hier sind die schönen Momente und eine Woche später kommen die schweren. Die Welt wartet nicht auf mich, damit gerade nur das passiert, was mir jetzt in den Kram passt. Es passiert doch auch in meinem Leben so vieles gleichzeitig. Da höre ich in den Nachrichten von einem neuen Anschlag, wo jemand mit dem Auto in eine Menschenmenge fährt.  Sowas nimmt mir fast den Atem, wenn ich an die Menschen dort denke. Die Toten, die so sinnlos gestorben sind. Die Trauernden, die jemanden verloren haben. Aber auch die, die jetzt Angst haben, auf die Straße zu gehen. Und am gleichen Tag besucht mich ein alter Freund und als er vor mir steht und mich umarmt, freue ich mich so, dass wir uns wiedersehen. Das alles geschieht an einem Tag. Manchmal sogar innerhalb weniger Minuten. Unser Leben geschieht nicht in Abschnitten, so, wie ich es gerne hätte, sondern es geschieht gleichzeitig. Ich komme da manchmal selbst gar nicht hinterher, was da in so kurzer Zeit alles los ist. Was ich alles fühlen soll. Und was mich gleichzeitig beschäftigt. Deshalb finde ich es richtig gut, dass es einen Tag im Jahr gibt, der das genauso aufnimmt. Und das ist der Palmsonntag.“

Der Gedanke von Bruder Benedikt beschäftigt mich. So hatte ich es nie wahrgenommen. Aber er hat Recht. Ein Gottesdienst ist dafür da, dass mein Leben darin vorkommt. Mit allem, was mich beschäftigt. Gerade mit all dem, was ich so oft gleichzeitig fühle. Freude, Angst, Trauer und Hoffnung.

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