SWR4 Abendgedanken

09APR2025
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Heute vor achtzig Jahren wurde im KZ Dachau ein Mann hingerichtet. Georg Elser von der schwäbischen Ostalb. Er hatte 1939 ein Attentat auf Adolf Hitler verübt.

In wenigen Tagen ist aber auch der 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau.

Und bald jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum achtzigsten Mal.

Achtzig Jahre ist eine lange Zeit. Wesentlich mehr als ich mir vorstellen kann.

 Was kann in einem Lebensalter alles geschehen? Was kann gelernt und auch wieder vergessen werden?

Eine Freundin sagt immer wieder zu mir: „Knapp achtzig Jahre Frieden haben Europa nicht gut getan.“ Sie meint damit nicht, dass Frieden etwas Schlechtes ist. Ganz sicher nicht. Sondern, dass wir in Europa nach knapp achtzig Jahren dabei sind zu vergessen, wie wertvoll Frieden ist. Was Nationalsozialismus und Populismus vor gut hundert Jahren in unserem Land, in Europa und weit darüber hinaus angerichtet haben. Was Menschen wie Georg Elser für so einen Frieden auf sich genommen und wie viele Menschen in den Konzentrationslagern und an der Front ihr Leben verloren haben.

Ich bin Ende der siebziger Jahre geboren. Europa hat für mich immer Frieden bedeutet, Sicherheit und Grenzenlosigkeit. Ich weiß schon noch, als ich an der Grenze kontrolliert wurde und wie ich meine Deutsche Mark in Schilling, Franc und Lire wechseln musste. Und heute, heute fahre ich einfach in diese Länder, ohne Grenzkontrollen, weil unsere Reisepässe gleichwertig sind, ohne lästiges Geldwechseln und sogar mein Internet am Handy kennt diese Grenzen nicht mehr.

Ich will, dass es so bleibt. Aber ich frage mich gleichzeitig – wie meine Freundin: Wie lange noch? Wenn ich höre, dass jüdische Bürger heute wieder Angst haben müssen in unserem Land zu leben. Oder wie derzeit über Grenzpolitik und Abschiebungen diskutiert wird. Wann wird es bei uns heißen: „Germany first“? Ob achtzig Jahre Frieden Europa wirklich nicht gut getan haben? Manchmal fühle ich mich hilflos gegenüber den politischen Entwicklungen in den letzten Jahren.

Zwei Dinge helfen mir dann. Zum einen bin ich überzeugt, dass Frieden im Kleinen anfängt. In dem, wie ich mit den Menschen umgehe, denen ich auf der Straße, beim Einkaufen oder im Zug begegne. Dass ich dort eben keine Grenzen ziehe, sondern versuche zu allen gleich offen zu sein. Egal, welche Sprache sie sprechen und egal welche Hautfarbe sie haben.

Und noch etwas hilft mir: Immer wieder um Frieden zu beten.

Europa ich bete für Dich.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41912
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