SWR4 Abendgedanken

07APR2025
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Ich habe vor kurzem einen ganz zauberhaften Film gesehen. Darin spricht ein älteres Paar über seine inzwischen 40jährige Beziehung. Sie werden nach dem Geheimnis ihrer langen Partnerschaft gefragt. Die Frau antwortet auf die Frage lächelnd: „Ich habe lange gebraucht, um zu erkennen, dass er ein völlig anderes Gehirn hat als ich. Und ich verstehe bis heute manche Dinge nicht, warum er sie so tut, wie er sie tut“. Sie schaut zu ihm rüber, legt ihre Hand auf seinen Schenkel, sie lächeln sich an und sie sagt: „Ich hab mich damit abgefunden.“

Es ist keine große Erkenntnis, dass wir alle verschieden sind. Dass wir unterschiedliche Gehirne haben. Und dass das sehr herausfordernd sein kann. Das fängt ja im ganz Kleinen an. Wie kann man zum Beispiel Nutella mit Butter auf dem Brot essen? Das werde ich nie verstehen. Oder ich habe immer wieder Menschen erlebt, die mich schon bei der zweiten Begegnung umarmen und ich dann denke: „Oh...das ist mir zu nah. So gut kennen wir uns nicht.“ Jeder empfindet da anders.

Es ist für mich kein Problem, dass wir alle unterschiedlich sind. Die Frage ist: Wie wir damit umgehen. Und da mag ich sehr, was die ältere Dame über die Beziehung zu ihrem Mann gesagt, bzw. wie sie es gesagt hat. Sie hat nicht gesagt: „Ich habe ihn abgeschrieben.“ Sondern: „Ich habe mich damit abgefunden.“ „Abfinden“ klingt für manche vielleicht negativ. So wie: „Ich hab kapituliert“. Aber im Wort „Abfinden“ steckt das Wort „finden“. Es heißt für mich, die Beiden sind noch in Beziehung. Sie finden sich trotz aller Unterschiedlichkeit immer wieder. Ich höre in dem Satz der älteren Dame auch: „Ich habe meinen Frieden mit unserer Unterschiedlichkeit gemacht.“

Unsere unterschiedlichen Gehirne können manchmal ganz schön anstrengend sein. Deswegen neige ich dazu, mich mit Menschen zu umgeben, die meiner Meinung sind. Jetzt nicht gerade beim Thema Nutella mit oder ohne Butter, aber wenn es zum Beispiel um Politik oder Kirche geht. Ist ja auch logisch. Weil es anstrengend ist, sich mit anderen Meinungen und Gehirnen auseinandersetzen. Das Problem dabei ist: Die, die eine andere Meinung haben, kommen mir dann noch fremder vor.

Deswegen gefallen mir die Worte dieser älteren Dame so gut. Ich denke, wenn das das Geheimnis ihrer langen Partnerschaft ist, dann könnte darin auch das Geheimnis für manch eine persönliche, gesellschaftliche oder politische Diskussion liegen. Nämlich: Schreibt einander nicht ab, sondern findet Euch miteinander ab.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41910
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