Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP
Morgen ist Palmsonntag – für Christen der Auftakt zur Karwoche: Also der Woche, die an die letzten Tage im Leben von Jesus vor fast 2000 Jahren erinnert. Und es war eine Woche des Wahnsinns, damals: voller Intrigen, Machtspielchen, Neid und Verrat. Angefangen hatte sie noch mit schier grenzenlosem Jubel: Jerusalem hatte Jesus einen wahrhaft königlichen Empfang bereitet. Am Ende aber – ist Jesus tot. Hingerichtet, am Kreuz, wie ein Schwerverbrecher.
Wie konnte es so weit kommen? Wer ist denn nun eigentlich schuld daran? Die, die neidisch waren auf seinen Erfolg und den unliebsamen Konkurrenten bei Nacht und Nebel haben verhaften und verschwinden lassen? Oder der römische Richter, der einem Todesurteil zugestimmt hat - nur, um keinen Ärger zu bekommen? Waren es also die Großen und Mächtigen von damals – oder doch auch die einfachen, kleinen Leute? Die, die Jesus am Anfang noch zugejubelt haben – die ihn dann aber auch ganz schnell wieder haben fallen lassen? Wer ist schuld? Irgendwie doch alle. Auf keinen Fall nur eine Gruppe für sich. Auf keinen Fall aber Jesus selbst. Er ist, der Einzige, der tatsächlich nichts dafür kann, nichts Falsches getan hat, keine eigenen Interessen verfolgt oder Menschen gegeneinander aufgehetzt hat. Er ist tot – an Ende einer Wahnsinnswoche.
Und morgen, an Palmsonntag– beginnt diese Wahnsinnswoche von neuem. Nicht einfach wegen der Erinnerung an damals. Sondern – ich denke – weil es den Wahnsinn von damals immer noch gibt. Und weil wir Menschen heute immer noch mittendrin stecken in diesem Wahnsinn. Wenn wir uns vor unserer Verantwortung drücken – oder uns lieber um uns selbst kümmern – oder uns einfach ohnmächtig fühlen. Palmsonntag und die Karwoche erinnern daran – und macht auch nachdenklich.
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