SWR Kultur Wort zum Tag
Wenn Melanies Konto mal wieder leer ist und sie nicht weiß, wie sie den Monat überstehen soll, ist das letzte woran sie denkt: Konzerte, Theater oder überhaupt kulturelle Veranstaltungen. Melanie ist 46, auf Bürgergeld angewiesen, und sie zieht ihre Kinder alleine groß. Da ist kein Geld und keine Zeit für Kultur. Dabei hat sie früher auch gerne mal bei guter Musik gefeiert und die ein oder andere Theaterpremiere angeschaut.
Bei Melanies Problem setzen sogenannte Kulturtafeln an. An anderen Orten heißen sie Tickettafeln, und diese Einrichtungen vermitteln Konzert-, Kino- oder Opernkarten an Menschen, die sonst nicht hingehen können.
Kulturtafeln gibt es an vielen Orten in Deutschland, z.B. auch in Konstanz oder in Lampertheim. Da geben Veranstalter nicht verkaufte Tickets ab. Und ich selbst kann auch was tun. Wenn ich Theaterkarten habe und meine Oma feiert doch ihren Geburtstag genau an dem Abend, kann ich meine Tickets zur Kulturtafel bringen, und die vermittelt sie weiter. Die Menschen, die die Tafel nutzen, müssen einmal im Jahr nachweisen, dass sie bedürftig sind, also z.B. den Bürgergeldbescheid bringen.
Meistens gibt es übrigens zwei Karten. Das ist für Melanie das Größte. So kann sie sogar jemanden mitnehmen.
Es gibt einige solcher sinnvollen Aktionen oder Angebote für Menschen mit geringem Einkommen. Ein Friseursalon, der Geringverdienenden für wenig Geld eine frische Frisur und damit ein gutes Gefühl zaubert. Eine Änderungsschneiderei, in der Menschen für kleines Geld Hosen kürzen, Ärmel umnähen oder das Kleid perfekt anpassen lassen können. Nebenbei gibt es hier auch eine große Auswahl von Secondhandkleidung. Natürlich auch zu kleinem Preis.
Solche Projekte und Initiativen finde ich einfach klasse. Menschen, die wenig Geld zur Verfügung haben, gönnen sich selbst oft nichts oder nur das Allernötigste. Das Leben ist total anstrengend. Immer muss ich prüfen und überlegen, was geht und ob ich mir das oder jenes leisten kann.
Kulturtafeln, Solidarschnitt und Schneiderei für alle - diese Aktionen ermöglichen nicht nur gesellschaftliche Teilhabe, sie zeigen auch: Wir brauchen eben nicht nur Nahrung für den Körper, sondern auch für die Seele.
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