Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Spielen Sie gerne? Bei mir kommt es ehrlich gesagt sehr darauf an. Alles, was mit einem Ball zu tun hat, liebe ich: Tennis, Fußball, Volleyball. Auch Theaterspielen liegt mir. Klassische Brett- und Kartenspiele sind nicht so mein Ding. Wenn es zu sehr um Strategie geht, bin ich schnell raus…
Woran das liegt? Möglicherweise daran, dass ich zumindest als Kind nicht gut verlieren und es nicht aushalten konnte, dass die anderen cleverer gespielt haben als ich. Und weil Brettspiele bei mir oft in Tränen endeten, lösen sie noch heute schlechte Stimmung in mir aus.
Verstärkt wurde meine Abneigung noch, als ein Studienkollege mir an den Kopf warf, dass sich im Spiel der wahre Charakter eines Menschen zeigt. Zur Begründung zog er den antiken Gelehrten Ovid heran, der sagt: „Im Spiel verraten wir, wes Geistes Kind wir sind.“ Na prima.
Lange habe ich versucht, daran zu arbeiten und ein guter Spieler zu werden, sah ich doch meinen Charakter in Frage gestellt… Ehrlich gesagt mit bescheidenem Erfolg. Besser wurde es erst, seit ich mir eingestanden habe, dass ich Brettspiele nun mal nicht mag. Dass sie an meinem Ego kratzen und ich das auch offen zugebe.
Seither bin ich lockerer, wenn das Thema aufkommt und spiel tatsächlich auch hin und wieder eine Runde mit. Ohne die Spielfiguren wütend vom Tisch zu fegen und mich danach zu schämen.
Warum ich Ihnen das erzähle? Weil ich glaube, dass es wichtig ist, eigene Schwachstellen wahrzunehmen und zunächst mal zu Ihnen zu stehen. Natürlich gilt es auch an ihnen zu arbeiten. Aber manches darf man sich auch eingestehen. Wichtig ist es dann aber, den anderen ihren Spaß zu lassen und nicht als Spielverderber aufzutreten, wenn die etwas gerne tun, was mir eher fern liegt.
Und deshalb: Vielleicht verraten wir ja eher im Umgang mit unseren Schwächen, wes Geistes Kinder wir sind. Solche, die ein immer perfektes Bild nach außen abgeben wollen oder solche, die um ihre Lücken wissen und auch über sie schmunzeln können.
Wenn bei uns ein Spieleabend ansteht, bin ich inzwischen für die Verpflegung zuständig. Das kann ich nämlich richtig gut.
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