Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

21MRZ2025
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Jeden Morgen dasselbe. Der Wecker klingelt. Jetzt hab ich die Wahl: Ausschalten und einfach weiterschlafen? Liegenbleiben und die Schlummertaste drücken? Oder doch gleich aufstehen?

In der Psychologie geht man davon aus, dass wir jeden Tag sage und schreibe 20 000 Entscheidungen treffen. Die allermeisten sind uns gar nicht bewusst. Denn zum Glück kann unser Gehirn bei alltäglichen Dingen quasi auf Autopilot schalten. Beim Aufstehen sind die Möglichkeiten ja noch übersichtlich. Später beim Einkaufen muss ich erstmal 5 Quadratmeter abscannen, wenn ich nur mal eine Tube mittelscharfen Senf kaufen will. 

Eigentlich ist es ja schön, die Wahl zu haben. Aber: Immer mehr Wahlmöglichkeit macht mich eben nicht immer zufriedener, denn immer könnte es ja etwas noch Besseres geben. Manchmal habe ich schon gedacht: Wenn ich ein Teufel wäre, dann würde ich den Menschen so viele Möglichkeiten vorsetzen, dass ihnen der Kopf schwirrt und dass sie vor lauter Vergleichen und Auswählen zu gar nichts anderem mehr kämen – schon gar nicht mehr zum Leben. Denn das Leben verlangt ja, dass ich mich entscheide, und dass ich zu dem, was ich gewählt habe, dann auch stehe. Wenn ich mich für einen Beruf entscheide, werde ich andere interessante Berufe eben nicht kennenlernen. Und wenn ich ein Kind habe, kann ich im Job eben nicht rund um die Uhr und rund um die Welt verfügbar sein. 

So ist das eben. Denn ich bin ein Mensch, ein endliches, begrenztes Geschöpf, und deshalb kann ich nicht unendlich viele Lebensläufe ausprobieren. Nur meinen eigenen. Aber was heißt da „nur“? Meinen eigenen, meinen unverwechselbaren Lebenslauf. Mit  Momenten von prallem Leben und Zeiten von öder Leere. Von Glück und Schmerz. Von Einsamkeit und Aufgehobensein.  

Ich bin nicht mehr jung, und die Gelegenheiten werden weniger, in denen ich ganz Neues erleben kann. Trotzdem habe ich nicht das Gefühl, etwas Wesentliches verpasst zu haben. Etwas, das ich unbedingt hätte erleben, erfahren, ausprobieren sollen. Ich übe mich jeden Tag darin, mein Leben anzunehmen. Es ist meines, und es passt zu mir. Und als Christin rechne ich damit, dass mein begrenztes Leben auf dieser Welt nicht alles ist, was Gott mit mir vorhat. Natürlich weiß ich es nicht, und ich kann‘s mir auch nicht wirklich vorstellen. Aber gerade deshalb bin ich gespannt. 

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