Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Wo Menschen zusammen sind, braucht es Regeln. Anstandsregeln, die klarmachen, wie man sich verhält, was man in welcher Situation tut oder eben nicht tut. Diese Regeln sind wie eine eigene Sprache.
Ich bin froh, dass ich diese ‚Sprache ohne Worte‘ in meiner Kindheit lernen konnte. Jedenfalls den Grundwortschatz der Verhaltensregeln, die bei uns gelten. Dass man die Tür nicht zufallen lässt, wenn hinter einem jemand rein will. Dass man schnell aufsammeln hilft, wenn eine Tüte geplatzt ist und die Orangen auf dem Boden kullern. Dass man die Kassiererin anschaut und kurz grüßt, bevor man die Sachen einpackt. …… Ich muss nicht unbedingt wissen, wie man bei einem fünfgängigen Menü den Tisch deckt oder welche Kleidung bei einem Staatsempfang korrekt ist. Dafür aber wie man sich im Alltag verhält, in ganz banalen Situationen.
Eine der wichtigsten Anstandsregeln ist für mich: dass ich bitte sage, wenn ich etwas möchte, und danke, wenn ich etwas bekomme. Auch wenn‘s um Kleinigkeiten geht. Denn damit zeige ich anderen, dass ich sie überhaupt wahrnehme, wenigstens flüchtig.
Aber bitte und danke sag ich nicht nur für andere. Fast noch mehr sag ich‘s für mich. Weil‘s mir guttut. Weil‘s mir guttut, mich daran zu erinnern, dass ich niemals aus mir selbst heraus leben könnte. Dass ich jeden Tag darauf angewiesen bin, zu bekommen, was ich zum Leben brauche. Von anderen Menschen. Ihre Gemeinschaft, ihren Respekt, ihre Aufmerksamkeit, ihr Wohlwollen. Und von einigen Menschen sogar ihre Liebe. Und wenn ich im Alltag bitte und danke sage, denn denk ich auch manchmal daran, dass ich aufgehoben bin in einer Kraft, die mich leben lässt. Und mit mir all die anderen Menschen, denen ich heute begegne oder nicht begegne. Und mein eher beiläufiges danke kann dann schon mal zu einem kleinen Gebet werden. Danke, dass es andere Menschen gibt, und danke dir, Gott, dass wir alle miteinander Platz haben in deiner Hand. Die aufmerksamen …..... und hilfsbereiten, und die, die eher muffelig sind und mit sich selbst genug zu tun haben.
Zu Kindern sagen wir manchmal: „Wie heißt das Zauberwort?“ Es heißt bitte. Und Kinder lernen schnell, wie es funktioniert. Mein Zauberwort heißt mittlerweile eher danke. Weil es auch in mir selbst etwas verändert. Mich zufriedener macht, offener, freundlicher.
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