SWR3 Gedanken
Ich habe etwas Unanständiges getan: Ich habe einen goldenen Gebärmutter-Kerzenständer in die Kirche gestellt. Ich hatte den besonderen Leuchter bei einer Influencerin gesehen und war sofort begeistert. Ich hab‘ ihn in den Kirchraum gestellt und das in meiner Story auf Instagram festgehalten. Welch Provokation! Es dauerte nicht lange, da hatte ich auch schon die ersten empörten Nachrichten in meinem Postfach. Männer schrieben mir, dass sie ja auch keinen Penis-Kerzenständer in die Kirche stellen würden. Da musste ich doch echt lachen. Es ist erstaunlich, wieviel Unwissenheit in Bezug auf die weibliche Anatomie noch besteht. Die Gebärmutter liegt im Unterleib und gehört zu den inneren Geschlechtsorganen. Und während Penisse gerne mit gewissem Stolz überall, besonders an öffentlichen Toiletten hingekritzelt werden, sollen sich Frauen nicht nur für ihre äußeren, sondern auch für ihre inneren Geschlechtsmerkmale schämen. Jahrhundertlang wurden die weiblichen Geschlechtsorgane als Pforte zur Sünde gesehen.
Doch das war nicht immer so. Im Alten Europa und später im alten Ägypten und Babylonien wurde die Gebärmutter häufig mit Symbolen der Welt- und Gottesbilder verbunden. Das Innere der Frau wurde gefeiert, verehrt, als göttlich angesehen! Die Gebärmutter: ein Heiliger Raum, das erste Zuhause aller Menschen. Der Ort des Lebens, der Schöpfung, aber auch ein Ort des Leidens und des Todes.
Auch die Bibel spricht positiv vom Mutterleib, denn hier geschieht immer wieder Gottes Schöpfung. Leider wurden in der frühen Kirche nicht diese positiven Bilder aus der Tora übernommen, sondern vor allem Vorstellungen davon, wann eine Frau rein ist. Diese negativen und schambehafteten Bilder prägen noch heute unsere Gesellschaft.
Deswegen stelle ich provokativ einen Gebärmutter-Kerzenleuchter in unsere Kirche. Heiliger Raum, Schöpfungskraft, Zuhause: das alles passt gut in die Kirche. Und damit auch die Gebärmutter.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41799