Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP

18MRZ2025
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„Der ist wohl so ein ‚Überkorrekter‘“, meinte mein Sitznachbar, als der Zugbegleiter neben dem Deutschland-Ticket auch den Personalausweis sehen will. Formal ist das völlig in Ordnung, kommt bloß nicht so oft vor. Aber über-korrekt? Was mein Nachbar wohl meinte war: Da nimmt‘s einer offenbar ganz genau. Für seinen Geschmack wohl: viel zu genau.

Nun finde ich es zwar auch nervig, wenn ich im Zug noch meinen Ausweis rauskramen muss. Aber ich mag es, wenn Menschen es genau nehmen. Genau in dem, was sie tun. Menschen eben wie dieser Schaffner. Wenn ich auf der Strecke unterwegs bin, begegne ich ihm öfter. Blaue Bahn-Uniform, dunkelrote Krawatte, immer freundlich und eben - korrekt. Einer, der seinen Job offensichtlich mag. Und der das, was er tut, ernst nimmt. Den Anspruch habe ich auch an mich selbst.

Und deshalb finde ich es auch klasse, wenn die Verkäuferin im Modeladen sich Zeit nimmt, um mich zu beraten. Wenn ich das Gefühl habe, dass es ihr selbst wichtig ist, dass mir ein Kleidungsstück gut steht. Wenn die Technikerin im Studio, die diesen Beitrag schneidet, ganz genau hinhört, damit der Ton wirklich sauber ist. Aber auch, wenn ich in einem Gottesdienst sitze und merke: Der Pfarrer da vorn hat sich echt Gedanken gemacht hat, wie er ansprechend predigen kann. Sowas freut mich. Weil all die Mühe, ja Liebe, die ein Mensch in seine Arbeit legt, sie so wertvoll macht. Und weil ich als Kunde, als Zuhörer oder eben Bahnfahrer genau das dann spüre.

Manch einer mag das pingelig nennen oder eben „überkorrekt“. Aber für mich ist es etwas, was die Philosophie wohl Ethos nennt. Der Ansporn, etwas, das ich für andere tue, wirklich gut zu machen. Ganz egal, was es ist. Ob jemand Wasserrohre montiert oder einen Bus fährt. Kunden berät oder Schüler unterrichtet. Es liegt in seiner Hand, etwas Wertvolles daraus zu machen.

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