SWR Kultur Wort zum Tag

Anfang April vor 80 Jahren ist der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer hingerichtet worden, nach fast zwei Jahre Haft „wegen Zersetzung der Wehrkraft“. Dabei kämpfte er nur für die Absetzung der Nazi-Herrschaft und eine gerechtere Welt. „Widerstand und Ergebung“ waren sein Leben, so hat man seine tiefsinnigen Gefängnisschriften überschrieben. Darin findet sich folgendes Gedicht mit der Überschrift „Christen und Heiden“, eine Art Lebenssumme des Christlichen. Dicht wie ein Telegramm sind diese drei Strophen.
„Menschen gehen zu Gott in ihrer Not, / flehen um Hilfe, bitten um Glück und Brot, / um Errettung aus Krankheit, Schuld und Tod. So tun sie alle, alle, Christen und Heiden.“
Schon dieser Anfang gibt zu denken, denn viele heute gehen nicht mehr zu Gott, in ihrer Not nicht und nicht in ihrem Glück. Am Sprichwort „Not lehrt beten“ ist freilich doch mehr dran, als man denkt. Denn selbst wer an Gott nicht mehr glauben kann oder will, an einen allmächtigen schon gar nicht, braucht Adressaten - für seine Nöte und Bitten und wohl auch für das ebenfalls wichtige „Danke“.
„Menschen gehen zu Gott in Seiner Not, / finden ihn arm, geschmäht, ohne Obdach und Brot, / sehen ihn verschlungen von Sünde, Schwachheit und Tod, / Christen stehen bei Gott in Seinen Leiden.“
Mit dieser zweiten Strophe kommt überraschend gleich die Wende: nicht unsere Not, sondern Seine. Abschied vom allmächtigen Gott, dem Alles-Könner und Alles-Macher. Von Gottes Ohnmacht ist da die Rede, und dass er oder sie eine Schwäche hat für uns und die Welt: Gott selbst in Not ist. Hier im Rheingau, wo ich lebe, gibt es einen alten Wallfahrtsort „Not Gottes“; da pilgern die Leute zum Schmerzensmann Jesus, er „trägt die Sünden der Welt“ und schafft sie weg. Dieser Gott sucht Mitliebende, Mitarbeitende, Mitleidende. Und dann die dritte Strophe:
„Gott geht zu allen Menschen / in ihrer Not, / sättigt den Leib und die Seele mit seinem Brot, / und vergibt ihnen beiden.“
So übernimmt Gott selbst die Regie, und das im Geben und Vergeben, wie es seine Art ist. Das nennen wir Christen dann Ostern, den Anfang der wahren Welt mitten schon in der noch falschen. Dafür hat Bonhoeffer gelebt, das ist das Geschenk des Christlichen, Grund der Hoffnung für alle. Aus Gottes Vergebung zu leben und sie zu bezeugen, das ist es.
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