SWR Kultur Wort zum Tag
„Die Furcht vor der Freiheit“ heißt das Buch, vor 80 Jahren auf Deutsch erschienen und immer noch brandaktuell. Geschrieben hatte es der deutsche Psychoanalytiker Erich Fromm. Als Jude musste er vor den Nazis fliehen. Noch während des Weltkrieges damals wollte er genauer verstehen, warum so viele Deutsche dem braunen Verführer namens Hitler gefolgt sind. Und überhaupt: was sind „die Gründe für die totalitäre Angst vor der Freiheit“? Woher diese verbreitete Neigung, andere hochzujubeln oder zu verteufeln? Warum sich hinter anderen verstecken? Erich Fromm analysiert die Ich-Schwäche dahinter, die Angst vor eigener Verantwortung und letztlich die Weigerung, wirklich erwachsen zu werden. Zwar habe der moderne Mensch wahnsinnig viel erreicht, aber irgendwie sei da diese Angst vor der eigenen Courage, die Angst vor einem wirklich eigenständigen Leben.
Drei Fluchttendenzen macht der große Zeitdiagnostiker aus. Zuerst die Flucht ins Autoritäre. Wo man sich selbst hilflos und überfordert fühlt, sind andere willkommen, die Sicherheit versprechen und die angeblich glasklar wissen, wo es langgeht. Erich Fromm findet dahinter sehr viel eigene Unsicherheit; weil man und frau sich selbst nichts zutrauen, kommen sie nicht aus der Deckung, ihnen fehlt die Kraft zur eigenen Meinung.
Zweitens die Flucht ins Destruktive. Man jammert oder flucht über andere, weil man sich selbst nicht gut findet und nicht klarkommt. Da wird dann alles niedergemacht, was den eigenen Wünschen im Wege ist. Erich Fromm hat diese Tendenz zum Zerstörerischen an der Biografie Hitlers veranschaulicht. Wo viel Demütigung und Enttäuschung erlitten wurde, entstehen Ressentiment und Rachsucht. Und letztendlich manifeste Gewalt.
Und drittens die Flucht ins Konformistische: man passt sich an, man möchte nicht auffallen. Die Kunst, Ich zu sagen und Flagge zu zeigen, bleibt ungelernt. Jede wirkliche Veränderung wird so zur Bedrohung, man passt sich lieber an und trottet mit.
Wie es anders ginge, hat Erich Fromm selbst in seinem Bestseller „Die Kunst des Liebens“ beschrieben. Sich lieben zu lassen und ein positives Selbstgefühl zu entwickeln, lautet da die Einladung. Und verbunden damit: die Lust am Anderen, die Fähigkeit zu Beziehung mit ihnen. So wie man um einen anderen Menschen wirbt und freit. Meine Freiheit lebt ja von der Anerkennung deiner Freiheit, und umgekehrt. „Die Kunst des Liebens“ also – darauf kommt es an.
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