SWR1 Begegnungen

09MRZ2025
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Leonie Klein Foto: Wolf-Dieter Steinmann

Wolf-Dieter Steinmann trifft Leonie Klein, Schlagzeugerin der Neuen Musik, Journalistin, Konzertentwicklerin aus Karlsruhe.

Ich war hin und weg, als ich Leonie Klein gesehen habe. Schlagzeug spielen. Was alles klingt. Klar, das Drumset wie in ner Band. Aber in ihrer Neuen Musik ist das nur die Oberfläche. Der Probenraum ist übervoll mit Klangmöglichkeiten. Vom großen Marimbaphon bis zu einem Flummi. Seit sie sechs ist, spielt Leonie Klein. Mit Lust, Klänge zu entdecken.

Das is n Flummi, so n Gummiball und den habe ich in der Mitte durchgeschnitten und den dann auf eine Stricknadel aufgespießt und wenn man den jetzt über ein Fell zieht, dann ist das so ein bisschen wie ein Walgesang, könnte man sagen oder auch ein Rennauto, was irgendwie in der Kurve vorbeiflitzt.

Und das ist auch das Schöne, was geht eigentlich alles?

Wie wird daraus Musik? Schlagzeug pur ist nicht sehr melodisch. Nun, ein Komponist hat schon ein Solokonzert für sie geschrieben, mit Orchester. Und wenn sie allein spielt? Sie schafft Musik aus Rhythmus. Und aus Klängen. Stellen Sie sich einen großen Gong vor.

Die klingen natürlich sehr lange. Und jetzt ist die Frage, wenn ich den jetzt anschlage, wo es danach weitergeht mit anderen Instrumenten. Wie lange lasse ich dem die Zeit?
Es ist ja auch immer so dieses musikalische Atmen, also wann atme ich weiter? Wann sage ich ‚okay, der Klang geht jetzt über in den nächsten.‘

Manchmal geschieht es auch, dass Leonie Klein übers Schlagzeug sprechsingt.

Aber wenn man da auf der Bühne steht, vorne an der Bühnenkante und schaut ins Publikum und spricht dann, ist das ganz merkwürdig, weil man weiß, eigentlich versteht niemand, was ich da sag, aber trotzdem verstehen sie es.

Neue Musik ist uns oft fremd. Vielleicht versteht man ihr Schlagzeug deshalb leichter, weil man neugierig sehen kann, wie sie Klänge entstehen lässt mit dem ganzen Körper. Neugierig sein aufeinander, vielleicht bräuchte es das viel öfter, wenn wir einander fremd sind.

Und wenn ich auf die Bühne gehe, dann spiele ich für jemand und den interessiert es vielleicht nicht, ist der Schlag jetzt so oder so gesetzt? Sondern diese Leichtigkeit zu haben und wenn ich Spaß dran hab, dann haben die auch Spaß dran, zuzuhören.

In der Karwoche spielt Leonie Klein in Speyer im Dom. Solo, in diesem imposanten, heiligen Klangraum. Die Leidensgeschichte Jesu wird gelesen und sie wird dem Geschehen um Jesus, Gott und die Menschen ihre Schlagzeugklänge geben. Besonders spannend ist für sie Jesus: angeklagt und er schweigt.

Das ist schon so eine Schlüsselstelle, wo ich mich sehr drauf freu, das musikalisch umzusetzen. Und ich glaub so, dieses Leise und dieses Minimalistische und was passiert in dem Moment, in dem eigentlich nichts passiert.

Wie kann man diesen Moment mit Klängen füllen?

Ich ahne, was sie meint. Wenn man schweigt, kann es in einem trotzdem sehr laut sein.

Paukenschläge

Dass Leonie Klein heute so gut ist, war kein Selbstläufer: Es hat viel mit Disziplin und Verzicht zu tun. Um die Schlagzeugerin zu werden, die sie heute ist, hat sie oft verzichtet: Seit 25 Jahren, mehr als dreiviertel ihres Lebens spielt sie. Übt, jeden Tag viele Stunden. Oder: Mit 17 ist sie – neben der Schule in Wittlich – damals noch zwei Tage die Woche nach Karlsruhe gefahren, zum Vorstudium. Ohne Disziplin, unmöglich.

Ich glaub ich hab gar nicht so viel Talent, sondern bei mir war es eher der Fleiß. Also ich bin zum Beispiel jemand, der sehr sehr lange braucht, um neue Stücke zu lesen. Irgendwie denke ich manchmal, mein Kopf ist ein bisschen langsamer als bei anderen.
Aber wenn ich es dann geübt hab, dann ist es so gut, dass wenn ich irgendwie mit den Komponisten arbeite, dass sie sagen, ‚Boah, so haben wir unser Stück noch nie gehört.‘

Aufgeben wollte sie nie. Nicht mal als sie Zweifel hatte, ob sie gut genug ist. Und von einem ihrer Lehrer auch noch übel erschüttert wurde. Ich finde, jeder Lehrende, jeder Mensch sollte auf solche Sätze verzichten. Um Gottes willen und um der Menschen willen.

Wenn dann im Unterricht dann auch so Sätze fallen so: ‚ja Leonie, das kann hier jeder und wer es nicht kann, der hat hier auch nichts zu suchen.‘
Heute weiß ich, dass es Dinge waren, die so gut wie keiner kann und ich da dran irgendwie ja geübt habe und geübt habe, bis ich sie im Schlaf konnte.

So standzuhalten, finde ich bewundernswert. Vielleicht ist Leonie Klein zur Schlagzeugerin berufen. Sie sagt, es war auch Ehrgeiz, der sie stark gemacht hat. So sind sie und ihr Schlagzeug eins geworden.

Ich kann mich gar nicht dran erinnern, dass ich mal kein Schlagzeug gespielt hab. Und man schafft dann auch so diesen Sprung erst mal an ne Hochschule, das ist erstmal auch n Privileg. Und das war mir schon sehr bewusst, dass ich das irgendwie nutzen will und irgendwann war es so ein bisschen: oK, wenn ihr mir alle sagt irgendwie, es muss anders sein, jetzt mache ich es einfach, wie ich es für richtig finde.

Hat sie eigentlich einen Lieblingsdrummer aus der Rockmusik? Klar, und vermutlich ist es kein Zufall, dass der auch ziemlich eigen war. Keiner von den Drummern mit „dicken Oberarmen“.

Charlie Watts. so ein eleganter Schlagzeuger, so gentlemanlike, der irgendwie da hinten bei den Rolling Stones sitzt, er schaut sich das so von hinten an, was die anderen da vorne so treiben auf der Bühne. Ein Rockdrummer der anderen Art.

Mit Anfang 30 sieht sich Leonie Klein noch lange nicht am Ziel. Sprüht vor Zuversicht und Freude, Neues aus sich zu entwickeln. Konzerte selbst konzipieren ist ein Bild von sich, auf das sie zugeht.

Nicht nur als Interpretin auf die Bühne zu gehen, sondern eben auch zu schauen, wie kann man das, was auf der Bühne stattfindet, konzipieren. Für mich einfach neue Facetten nochmal zu entdecken.

Ich finde, Leonie Klein kann einen inspirieren: dass ein starkes Ziel Verzicht lohnt. Wie man Eigensinn bewahrt und so vielleicht zu der Person reift, die in einem steckt. Und wie sie ihr Glück schätzt.

Am Wochenende würde man nie ins Büro gehen und arbeiten, aber man geht in den Proberaum, weil es einfach Spaß macht, und es fühlt sich gar nicht wie Arbeit an. Und das ist auch das Schöne, wenn das einen so erfüllt.

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Terminhinweis:
Mittwoch 16. April 2025 19.30 Uhr
Bibel und Schlagzeug
Dom zu Speyer
Lesung Christoph Kohl
Schlagzeug Leonie Klein

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41746
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