SWR Kultur Wort zum Tag

03MRZ2025
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Gestern ist die Vesperkirche in Ludwigsburg zu Ende gegangen. Drei Wochen lang haben wir in der Friedenskirche jeden Tag Mittagessen angeboten. Für 500 Menschen. Eine warme Suppe, ein reichhaltiges Hauptgericht und einen leckeren Kaffee. Und jeden Tag waren über 60 Ehrenamtliche im Einsatz. Schnippeln, kochen, backen, abwaschen und vor allem servieren. Drei Stunden lang laufen sie zwischen der Essensausgabe und den Tischen hin und her. Immer aufmerksam und freundlich: „Sie wollten den Kaffee ohne Milch, nicht wahr? Bitteschön!“ Schade, dass die Tische und Stühle in den Seitenschiffen jetzt wieder abgebaut werden. Ich mag es, wenn es in der Kirche nach Gulasch riecht und überall Leute herumwuseln.

Noch mehr beeindruckt mich allerdings, wer da alles zusammengekommen ist. Einmal habe ich an einem Tisch mit zwei älteren Frauen aus der Ukraine gesessen. Die haben mich in gebrochenem Deutsch freundlich begrüßt – „Hallo, alles klar, mein Herr?“ Noch ehe ich antworten konnte, hatten sich schon zwei Schülerinnen dazugesetzt. Sie kichern miteinander und schauen dann doch auf. „Die sich gerade noch hinsetzt – ist das nicht unsere Erste Bürgermeisterin?“  Schließlich steuern noch zwei Damen mit weißen Schürzen die letzten freien Plätze an: „Eigentlich bedienen wir hier. Guten Appetit allerseits!“

Acht Menschen aus vier ganz verschiedenen Lebenswelten. Die meisten werden sich vorher und nachher nicht mehr begegnen. Und doch sitzen sie hier an einem Tisch, für eine gute halbe Stunde. Schauen auf, lächeln vorsichtig, beginnen zu sprechen. Verlassen ihre Komfortzone, öffnen sich füreinander. Ganz flüchtig, aber ganz real.

Die Kulturwissenschaftler sagen: Das ist ein „Dritter Ort“. Ein Ort der Begegnung von Menschen, die jeweils ihre vertrauten Orte verlassen haben. Ihre Blasen, wie wir heute sagen. Dritte Orte – an ihnen entsteht etwas Neues. Ganz spontan verstehen sich zwei ganz unterschiedliche Menschen. Und entwickeln eine inspirierende Idee – „ach, vielleicht könnte ich bei unserem Nachbarschaftstreff ja auch mal internationales Essen anbieten. Kommen Sie doch mit Ihrer ukrainischen Suppe bei uns vorbei!“

Ein dritter Ort: Für mich ist das auch ein gesegneter Ort. Weil hier Leben ins Leben kommt. Und manchmal glaube ich zu sehen, wie Gottes Geist über dem Tisch schwebt und lächelt.

Gestern ist die Vesperkirche in Ludwigsburg zu Ende gegangen. Ich vermisse ihre gesegneten Dritten Orte schon jetzt. Und ich frage mich, wo ich in dieser Woche für ein paar Minuten mit Menschen aus einer ganz anderen Blase ins Gespräch kommen kann. Ganz flüchtig, aber ganz real.   

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