Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

06MRZ2025
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Seit meine Mutter in Rente ist, hat sie jede Menge Termine. „Heute Abend ist wieder WiWi-Stammtisch“ erzählt sie mir am Telefon. WiWi ist die Abkürzung für Witwen und Witwer. Sie treffen sich einmal im Monat und meine Mutter ist jetzt regelmäßig dabei.  Gefunden hat sie die Gruppe über eine Zeitungsannonce -und ist dann einfach hingegangen. Ganz schön mutig, finde ich.

Ich habe mir das bisher so vorgestellt wie eine Trauergruppe. Ich dachte, die Witwen und Witwer treffen sich, um sich darüber auszutauschen, wie sie mit ihrer Trauer umgehen, wie es ihnen damit geht, jetzt allein zu sein. Meine Mutter hat gelacht, als ich ihr das erzählt habe. „Ach was, wir treffen uns einfach und unternehmen was zusammen oder haben es lustig!“ sagt sie. „Bei uns herrscht keine Trauerstimmung!“. Sie erzählt mir, dass es ihr guttut, mit Leuten zusammen zu sein, die wissen wie es ist, jemanden verloren zu haben. Da muss man dann gar nicht groß drüber reden, man versteht sich auch so. Manche dort sind noch jünger, andere schon lange dabei.

Ich finde es richtig gut, dass es so viele verschiedene Angebote gibt für Menschen, die trauern und dass meine Mutter etwas gefunden hat, das für sie passt. Denn wenn wir einen lieben Menschen verlieren, dann gibt es ganz unterschiedliche Bedürfnisse – und alle können gleichzeitig da sein.

Zum Beispiel der Wunsch, nicht über den Verlust reden zu wollen – und gleichzeitig zu wissen, dass da Menschen sind, denen ich erzählen kann, wie es mir geht, wenn es mir danach ist. Oder das Gefühl: der Alltag geht weiter, aber gleichzeitig ist alles neu, weil der  Mensch, der jahrelang an meiner Seite war, nicht mehr da ist.
Die Trauer braucht ihren Platz. Es gibt Phasen oder Umstände, in denen sie fast den ganzen Raum einnimmt. Und das ist in Ordnung. Trauergruppen und Ansprechpersonen können da helfen. Die finden sich beispielsweise bei Caritas oder Diakonie, dem örtlichen Hospiz oder den Kirchengemeinden. Niemand muss alleine mit dieser Situation fertig werden.

Auch Zeit mit Freundinnen und Freunden, Familie oder ehrenamtliches Engagement, bei dem ich neue Menschen kennenlerne und neue Erfahrungen mache, können genau das Richtige sein. Oder eben wie bei meiner Mutter der „WiWi“-Stammtisch, bei dem ganz gewiss keine Trauerstimmung aufkommt.
Wichtig ist vor allem, sich Zeit zu geben – und herauszufinden, was mir gerade gut tut. Und manchmal braucht es eben eine kleine Zeitungsannonce und ein wenig Mut, um genau das zu entdecken.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41720
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