SWR4 Abendgedanken
„Es ist ja so, dass in uns allen immer ein Heimweh ist.“ Eine Freundin von mir hat das neulich in einem Gespräch so gesagt. Ich weiß gar nicht, ob alle am Tisch mitbekommen haben, was für eine große Einsicht sie da so gelassen ausgesprochen hatte.
„Es ist ja so, dass in uns allen immer ein Heimweh ist.“ – In der Bibel heißt es, dass wir nur Gast sind auf diesem schönen Planeten, weil wir alle einmal bei Gott ankommen sollen, im Himmel, wo wir zu Hause sind, in der Ewigkeit, in der himmlischen Heimat, im Paradies, in der Gegenwart Gottes, in der Liebe, die nie vergeht. Es gibt so viele Bilder für das Ziel, auf das unser Leben hinführt. Hier und jetzt kann ich immer nur ahnen, wie das sein wird. Es gibt nur Abbilder, einen Vorgeschmack. Erst wenn ich angekommen bin, weiß ich, dass ich das Ziel meiner Sehnsucht erreicht habe.
„Es ist ja so, dass in uns allen immer ein Heimweh ist.“ – Ich habe das weitergedacht: Nation, Volk, Staat, wegen mir auch „The Länd“ – das ist alles vorläufig. Das kann diese wirkliche Heimat gar nicht ersetzen!
Trotzdem versuchen es so viele. Warum verehren so viele Menschen ihr Herkunftsland so sehr? Warum müssen sie ihre „Heimat“ so hervorheben? Ja, das hat bestimmt etwas damit zu tun, dass gerade dieses Land einem so vertraut ist. Aber warum freut man sich dann nicht einfach daran? Warum soll „das Reine“ erhalten werden? Was hat es mit dem Nationalstolz auf sich? Ich erlebe das bei Menschen aus aller Welt: Ob Kameruner oder Deutscher, ob Albaner oder Schwabe – spätestens beim Fußball merkt man es deutlich. Warum soll die Heimat sogar gegen andere abgeschottet werden? Soll dieser vorläufige Ort, sollen Nation oder Volk dadurch etwas „Ewiges“ bekommen? Könnte es sein, dass darin etwas anderes, eine Sehnsucht steckt? - „Es ist ja so, dass in uns allen immer ein Heimweh ist.“
Mein Heimweh vergeht nicht, wenn ich versuche, meinem vorläufigen Aufenthaltsort etwas Ewiges zu verleihen. „Es bleibt ja so, dass in uns allen immer ein Heimweh ist.“
Also nehme ich es, wie es ist. Ich muss wohl den Schmerz aushalten, dass ich nicht nur fast überall Ausländer bin, sondern überall nur auf der Durchreise - bis ich in der wirklichen, meiner himmlischen Heimat angekommen bin.
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