SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

02MRZ2025
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Fastnacht ist nicht so mein Ding. Doch einmal im Jahr mache ich eine Ausnahme. Dann bin ich auf einer Fastnachtssitzung. So ganz klassisch mit Büttenreden, Schunkelrunden und Gardetanz. Grund dafür ist meine Schwester. Sie wohnt in Mainz, und da gehört es dazu, Fastnacht zu feiern. Und so treffen sich meine beiden Brüder und ich einmal jährlich bei ihr, und wir feiern gemeinsam Fastnacht – mit Gruppenkostüm und allem, was dazu gehört. Als die vier Bremer Stadtmusikanten, als Imker und Bienenschwarm oder als vier Jahreszeiten verkleidet sitzen wir dann im Saal, und ich gebe zu: für ein paar Stunden bin ich mittendrin und genieße die ausgelassene Stimmung. Aber nicht nur das: wenn ich genauer hinschaue, kann ich einiges entdecken, was ich doch an der Fastnacht mag und beeindruckend finde.

Zum einen das enorme ehrenamtliche Engagement. Damit Fastnacht gefeiert werden kann, werden stundenlang Tänze geübt und das Geschehen in der Welt aufmerksam beobachtet, um Büttenreden zu schreiben. Da basteln Frauen und Männer an aufwendigen Kostümen und Mottowägen für die Umzüge. Lieder werden einstudiert und große Säle fastnächtlich geschmückt. Echt enorm, wie die Menschen sich da reinhängen.

Was ich mir von Fastnacht für das Jahr zu merken versuche, ist die vielleicht schlichte Einsicht: ich fühle mich in meiner Haut und in meinem Leben wohl. Ich kann in ein Kostüm schlüpfen, aber eigentlich muss ich gar nicht jemand anderes sein.

Regelrecht Gänsehaut bekomme ich, wenn zwischen den Feiernden im Lauf des Abends eine Gemeinschaft entsteht. Da mag die ein oder andere Weinschorle dazu beitragen, aber ich glaube, der Grund ist ein anderer. Es ist der Wunsch, der vermutlich tief im Menschen steckt, sich mit anderen verbunden zu fühlen. Das heißt nicht, dass es für unsere Gesellschaft und unser Land gut und sogar unglaublich wichtig ist, miteinander zu streiten, zu diskutieren und um Kompromisse zu ringen. Doch ich glaube, damit das möglich ist und niemand ausgeschlossen und vergessen wird, ist es wichtig, auch miteinander zu feiern. Und mich ohne Wenn und Aber bei der nächsten Schunkelrunde bei meinem Nachbarn einzuhaken. Egal, wie alt sie ist, und egal, wo er herkommt.

Eine eingefleischte Fastnachtsnärrin werde ich vermutlich dennoch nicht. Aber gerade dann, wenn die Zeiten komplex und schwierig sind, tut es gut, der Seele Luft zu verschaffen, zu lachen, durchzuatmen und zu feiern. Und dann habe ich auch die Kraft, wieder mit anderen traurig zu sein oder auf die Nöte in der Welt zu schauen.

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