SWR1 Begegnungen

Christopher Hoffmann trifft die Komikerin und Familientherapeutin Cordula Stratmann
Sie bringt in Formaten wie „Schillerstraße“, „Zimmer frei“ oder zuletzt bei „Last One Laughing“ ein Millionenpublikum zum Lachen. Eine Frohnatur mit ganz viel Tiefgang, die neben der Comedy auch als Familientherapeutin in Köln arbeitet. Wir treffen uns in ihrer Praxis. Lustig und ernst – Cordula Stratmann ist und kann beides: Das beweist sie auch in ihrem aktuellen Buch: „Wo war ich stehen geblieben? Grübeleien und Geistesblitze“*. Immer wieder geht es darin um das Thema Familie, etwa um die Liebe von Eltern zu ihren Kindern. Ihr Credo als Therapeutin und als Mutter eines 18-jährigen Sohnes:
Wenn mein Kind eines Tages mit einer Dankbarkeit auf unsere Beziehung schaut, dann liegt das daran, dass es mir gelungen ist eine liebevolle Beziehung zu dem Kind zu haben, dass ich durch die Liebe zu meinem Kind bei dem Kind geweckt habe: Ah, ich möchte, dass es meiner Mama gut geht. Es ist mir nicht egal, was ist mit ihr mal sein wird, ich fühle mich verantwortlich. Das kann ich aber nicht in Auftrag geben, sondern das entsteht aufgrund meiner Liebe.
Wenn Cordula Stratmann über bedingungslose Liebe redet, dann begeistert mich das. Als Christ glaube ich an die bedingungslose Liebe Gottes zu jedem Menschen. Wie ist das bei ihr? Ich frage die 61-Jährige: Glauben Sie an Gott?
Die Frage nach Glauben an Gott fasziniert mich wirklich, weil ich die beantwortet habe als ein junger Mensch, der sich in Gemeinde aktiv einbringt und Gruppenleiterin war und ich hatte dann einen sehr intensiven Glauben an Gott, weil das in meiner Familie auch so gelebt wurde, aber eben nicht diktatorisch, sondern mir war immer nur ein freundlicher Gott zugänglich, so. Dann bin ich aber gescheitert an Institution Kirche.
Und dann macht sie es, wie viele Menschen, die ich kenne. Cordula Stratmann tritt aus:
Weil für mich klar war eine Institution, die Homosexualität nicht als Teil von Leben anerkennt - will ich nichts mit zu tun haben! Und jetzt sitz ich da und denke: ja, was irgendwelche Männer von sich geben, kann doch gar nicht mein Verhältnis zu einem Gott bestimmen, das darf ich doch wohl nicht zulassen!
Sie kennt beides und differenziert– einerseits tolle Seelsorger und prägende Jugendarbeit beim Bund Deutscher Katholischer Jugend. Andererseits Regeln, die ihr den Zugang zum Glauben versperrt haben. Und trotzdem:
Seitdem ich die Tür zu der Frage wieder neu aufgemacht habe: „Wer ist eigentlich Gott für mich?“, muss ich wirklich sagen, kehrt immer mit dieser Frage, auch so ein Moment von Frieden in mir ein. Und das find ich eine ganz tolle Erfahrung.
Mit Glaube und Gott hatte sie lange abgeschlossen. Doch nach Jahrzehnten als Atheistin stellt sie fest, dass Gott in ihrem Leben wieder eine Rolle spielt:
Das, was ich abgelegt hatte, weil ich dachte naja das war halt mein kindlicher Glaube damals und Reifung heißt sich ablösen, also löse ich mich auch von meinem Glauben an Gott, das ist ja alles nur kindlicher Trost, weil wir nicht aushalten können dass alles so scheiße ist und dann zu erleben, dass gerade in den Zeiten wo es scheiße ist, bei mir wirklich ne Lampe hell aufleuchtet und ich hab da nichts dran getan, das entsteht, ich fummel an der Sache nicht rum , ich steh daneben und sag: Hallo - Da bist du ja wieder, ok? Aha! Ja, das finde ich absolut faszinierend.
Und so kommt sie zu der Erkenntnis:
In mir weiß etwas: da ist jemand oder etwas Größeres, was eine größere Erzählung hat und du bist Teil davon. Das beschäftigt mich gerade und in beglückender Weise.
Mit der Frage nach Gott ist für sie auch die Frage nach dem Sinn des Lebens verknüpft. Und der ist für Cordula Stratmann…
Gnade, Großzügigkeit, mach dein Herz auf - die Sinnfrage kriegst du immer nur mit Verbindung beantwortet. Die Sinnfrage ist nicht positiv zu beantworten in der Isolation, in der Rücksichtslosigkeit. Ich bin zutiefst durchdrungen von Gemeinsinn. Ich sollte keine Angst vor dem anderen haben. Ich brauche ihn und er braucht mich.
Und das meint sie ganz konkret. Deshalb fordert sie auf ihrer Lesereise durch das Land ihr Publikum auf, aktiv zu werden:
Ich habe an die Leute appelliert, dass sie aufhören sollen solche Sätze zu sagen wie: „Naja, hoffen wir mal das Beste“. Sondern: Sei du Teil vom Besten! Guck dich bitte ab sofort um – rechts und links, sei sofort an der Ampel freundlich zu jemandem, lasse sofort jemanden an der Kasse vor, wenn er nur ein Teil hat.
Aber auch bei den größeren Problemen des Alltags fordert sie Nächstenliebe ein:
Jetzt schreien da oben schon wieder die Kinder, das wird mir zu laut – dann geh hoch und frag ob du helfen kannst. Vielleicht bin ich gerade gestört von einem Problem, um das ich mich auch kümmern kann.
Was ihr immer hilft: Humor und Heiterkeit – nicht nur heute an Karneval:
Ich bin das ganze Jahr über jeck, und das kann ich auch jedem dringend empfehlen. Und grundsätzlich hochjazzen die Mundwinkel, wenn du das Haus verlässt – Tür abschließen, Treppe runtergehen und sofort den Nächsten angrinsen auf der Straße - grins dich durch dein Leben!
Hat bei mir auf jeden Fall funktioniert – als ich bei Cordula Stratmann die Tür rausgehe, habe ich ein fettes Grinsen im Gesicht.
*Cordula Stratmann: Wo war ich stehen geblieben. Grübeleien und Geistesblitze. München 2024, Verlag dtv.
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