SWR1 3vor8
Ich und ein kleines Team, wir planen ein neues Projekt: eine interaktive Zoom-Andacht, bei der man am Computer-Bildschirm dabei sein kann. Alle sind motiviert, kreativ, die Technik steht – es könnte richtig gut werden. Doch als wir einen Termin zur Vorbereitung suchen, gibt es ein Problem: Ein Kollege sagt ab. Nicht, weil er einen anderen Termin hat, sondern weil seine Woche schon zu voll ist. Er braucht Zeit für sich. Ich will das verstehen, wirklich. Aber innerlich regt sich Widerstand: Wir könnten so viel schaffen: so richtig etwas auf die Beine stellen. Aber jetzt werden wir ausgebremst. Kann der Kollege nicht einmal die eigenen Bedürfnisse zurückstellen?
Einen ähnlichen inneren Dialog stell ich mir bei Martha vor. Sie und ihre Schwester Maria haben Jesus zu Gast und Martha legt sich mächtig ins Zeug, damit es ihrem Gast an nichts fehlt. Das wird in einer Geschichte im Lukasevangelium erzählt, über die heute in vielen evangelischen Kirchen gepredigt wird. Marta ist also am schuften und ackern, und Maria, ihre Schwester, die setzt sich einfach zu Jesus und hört ihm zu. Irgendwann platzt es aus Martha heraus: Jesus – findest du es eigentlich ok, dass ich hier alleine arbeite, während Maria nichts tut? Die Antwort, die Jesus gibt, provoziert mich - und hat Martha damals bestimmt auch überrascht: Martha, du machst dir Sorgen um so vieles. Aber nur eins ist notwendig. Maria hat das Bessere gewählt. Das wird ihr niemand wegnehmen.
Nur eins ist notwendig – anscheinend meint Jesus, dass es gerade das Wichtigste ist ihm zu hören. Ich möchte protestieren. Sagen, dass man doch zumindest anerkennen muss, mit wie viel Mühe sich Marta um Jesus kümmert. Aber Jesus Antwort - wie man sie auch dreht und wendet - die will nicht in unsere Zeit passen. Es zählt nicht die Leistung. Jesus braucht gerade keine Macher. Manchmal ist das Wichtigste, was einem niemand nehmen kann: Auf Gottes Wort zu hören. Nichts zu tun. Zeit für das zu haben, was die Seele reich macht. Nicht die High-Performer braucht Jesus hier, nicht die, die arbeiten, bis sie umfallen. Sondern die Zuhörerinnen und Zuhörer. Nur so kann Gottes Wort sich entfalten. Nur so ist Raum, dass Worte gehört werden. Dafür nimmt sich mein Kollege Zeit, auch wenn er uns andere damit erst einmal ausbremst. Zeit für sich und seine Seele, um das Zuhören nicht zu verlernen. Hören. Auf die eigene Stimme, die Worte anderer, Worte von Gott. Und auch wenn mir das in der Situation schwerfällt: Das ist ziemlich sicher wichtiger als jedes Projekt oder jede Performance.
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