Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP

08MRZ2025
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In der Nacht des 8. März 1989, heute vor 36 Jahren, war es soweit: Winfried Freudenberg will mit seiner Frau Sabine aus Ost-Berlin fliehen. Der 32-jährige Ingenieur ist in der DDR aufgewachsen. Aber er will raus. Raus aus diesem System des Zwangs und der Bevormundung. Endlich frei sein. Sein Fluchtplan ist abenteuerlich. Er will mit einem selbstgebastelten Gasballon die Grenze nach West-Berlin überwinden. In wochenlanger Arbeit kleben Winfried und Sabine aus Gartenfolien einen Ballon zusammen: 13 Meter hoch, mit einem Durchmesser von 11 Metern.

Um an das notwendige Gas heranzukommen, arbeitet Freudenberg in der staatlichen Gasversorgung. So hat er Zugang zu einer Reglerstation. Hier füllt er den Ballon auf.

Ein Aushilfskellner, der gegen 1.30 Uhr auf dem Heimweg ist, sieht den Ballon. Er alarmiert die Volkspolizei. Als die Beamten ankommen, ist der Ballon erst zur Häfte gefüllt. Blitzschnell kappt Freudenberg die Halteseile. Seine Frau bleibt zurück. Zwei Personen wären jetzt zu schwer für den Korb.

Beim Aufstieg streift der Ballon eine Oberleitung. Ein greller Blitz erleuchtet die Nacht. Freudenberg überlebt den Unfall und fliegt weiter Richtung Westen. Aber er kann den Ballon nicht mehr steuern. Der steigt immer höher, auf rund 5000 m. Dort ist es eisig kalt: - 20 Grad.

Fünfeinhalb Stunden ist Freudenberg in der Luft. Beim Landeversuch über Zehlendorf in West-Berlin stürzt der Ballon gegen 7.30 Uhr ab. Winfried Freudenberg ist sofort tot, sein Körper völlig zerschmettert.

Nur acht Monate später fällt in Berlin die Mauer. So wird Winfried Freudenberg das letzte Opfer dieser menschenverachtenden Grenze. Geschichten wie diese erinnern an die Brutalität der SED-Diktatur. Sie zeigen aber auch, was Menschen alles auf sich nehmen, um frei und selbstbestimmt leben zu können.

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