SWR4 Abendgedanken
„Ich bin immer für dich da“ – das sage ich meiner Freundin, bevor ich den Hörer auflege. Ihr geht’s grad nicht gut. Ich habe ihr am Telefon zugehört, versucht, irgendwie hilfreich zu sein. Und wie das halt so ist, nach so einem Gespräch, denk ich mir: Hm, hab ich jetzt wirklich die richtigen Worte gefunden?
Vermutlich geht das sowieso kaum, in traurigen Situationen die richtigen Worte zu finden. Es geht ja mehr ums „einfach Dasein“. Und das will ich auch, ehrlich. Aber als ich meiner Freundin am Ende des Telefonats sage: „Ich bin immer für dich da.“, da übertreibe ich. Denn das stimmt so nicht. Ich bin nicht IMMER für sie da. Ich kann das gar nicht.
Ich habe zwei Kinder, einen Partner, ein Ehrenamt, ich habe Freundschaften, ich habe einen Job, und ich habe da auch noch mich. Ich will all diese wunderbaren, von mir geliebten Beziehungen und Aufgaben ernst nehmen. Aber ich habe eben nur diese 24 Stunden am Tag, und die reichen einfach nicht, um für alle so da zu sein, wie sie es eigentlich bräuchten und auch verdient hätten.
Mir ist klar, dass das nicht geht. Und gleichzeitig wird von mir erwartet, jederzeit und überall erreichbar zu sein. Egal ob im Job, in Familie oder Freundschaft.
Ich merke, ich kann UND ich will das nicht. Mir ist das zu viel, dieses immer da sein, immer verfügbar sein. Das stresst mich. Ich brauche Zeiten, in denen ich das Handy abschalte und wirklich nur an dem Ort bin, an dem ich grad stecke; und dort eben dann wirklich da sein kann für die Menschen, mit denen ich grad zusammen bin – mit meinen Kinder, mit einer Freundin, im Job mit meinen Schülerinnen und Schülern oder einfach mit mir selbst. Und dann ist das Handy aus und ich bin voll empfangsbereit für das, was ich grad tue.
Wenn ich das nächste Mal mit meiner Freundin spreche, werde ich ihr nicht mehr sagen, dass ich immer für sie da bin – ich würde sie nur enttäuschen. Unsere Freundschaft ist keine Dienstleistung. Sie ist weder berechnet, noch effizient. Aber ich werde ihr etwas sagen, was ich auch so meine. Etwa:
Ich denke an dich! Und versuche, bemühe mich ganz ehrlich, für dich da zu sein! Denn ich hab dich lieb. – Das ist nicht gelogen, das ist ehrlich, denn das fühl ich und das will ich. Für sie – und für mich. Für unsere Freundschaft.
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