Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
„Ich bin kein Kirchgänger, aber ich habe trotzdem meinen Glauben.“ Wenn Menschen mich kennenlernen und mitbekommen, dass ich Pfarrer bin, dann sagen sie mir das oft. Einfach so, von sich aus. „Ich bin kein Kirchgänger, aber ich habe trotzdem meinen Glauben.“
Ehrlich gesagt: Ich frage mich dann immer, woher diese Vorstellung überhaupt kommt. Also die Vorstellung, dass sich der persönliche Glaube am Gottesdienstbesuch ablesen lässt. Oder die Befürchtung, dass Pfarrer das wissen wollen und Menschen dann danach beurteilen.
Vermutlich hat das mit unserer geschichtlichen Prägung zu tun. Jahrhundertelang waren die christlichen Kirchen sozusagen der einzige denkbare Weg, Glauben und Spiritualität zu leben. Und fester Programmpunkt für die Kirchenmitglieder war der sonntägliche Gottesdienst. Natürlich sind da auch Menschen ausgeschert. Aber die sind aufgefallen – und wurden nicht selten deutlich zurechtgewiesen.
Diese lange Zeit steckt vermutlich vielen nach wie vor in den Köpfen und in den Knochen, auch Generationen später noch.
Ich finde es gut, dass Menschen heute frei sind, ob und wie sie glauben möchten. Und dass Menschen auf ihre persönliche Weise spirituell sein können. Dann und wann einen christlichen Gottesdienst zu besuchen, das ist für viele hilfreich. Weil dieses Ritual Struktur bietet und Gemeinschaft untereinander. Oder auch Raum, Glaubensinhalte zu bedenken und weiterzuentwickeln. Andere haben Alternativen gefunden. Und finden trotzdem Wege, ihren Glauben zu leben.
Glaubens-Gewohnheiten können sich auch ändern im Lauf des Lebens. Als ich als Gemeindepfarrer gearbeitet habe, war ich sonntags fast immer im Gottesdienst. Ich habe ihn geleitet, und er war mir auch innerlich wichtig. Inzwischen sehen meine Sonntage meistens anders aus. Und trotzdem geben sie mir Kraft. Das erzähle ich manchmal in meiner Antwort, wenn Menschen mir gleich beim Kennenlernen erklären, keine Kirchgänger zu sein.
„… aber ich habe trotzdem meinen Glauben.“ Wie dieser persönliche Glaube konkret aussieht – das ist ja die eigentlich spannende Frage, finde ich. Also – was Menschen mit Gott verbinden, wie sie beten, wofür sie sich einsetzen, Zeit und Geld investieren, … Diese Frage geht nochmal tiefer als nur das äußere Thema Gottesdienst. Da frage ich dann gerne nach – und bin gespannt auf die Antworten.
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