SWR Kultur Wort zum Tag

08MRZ2025
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In meiner Familie kursiert eine Geschichte von meinem Großvater: Landwirt, Jahrgang 1885. Kurz vor Beginn des II. Weltkriegs ist er mit seiner Frau und den fünf Kindern zum Urlaub an die Ostsee gefahren. Sonne. Wasser. Strand. Für die einen das Nonplusultra. Nicht so für meinen Opa: „Nur Sonne und Sand und Wasser – das ist nichts für mich. Ihr könnt gerne hier bleiben. Ich brauche meinen Acker.“ Sprach´s und verschwand nach drei Tagen. Und hat der Familie von zuhause in den Urlaub nach Swinemünde einen Korb Obst geschickt  – und für die Hotelküche jede Menge frisches Gemüse.

Dem Landwirt in der Magdeburger Börde waren Ausruhen und Erholen, Nichtstun und Muße ein Gräuel. Das zu genießen, war ihm nicht in die Wiege gelegt. Darüber kann ich schmunzeln. Aber auch nachdenklich werden. Denn: Wie geht die Geschichte weiter?

Mein Vater hat die Sonntage in aller Regel mit Musik aus dem Radio und Büroarbeiten für sein Geschäft verbracht. Ohne Kirchgang, ohne Spaziergang, ohne Ausflug. Und ich selber?

Ich erinnere mich, wie ich vor vielen Jahren beim Urlaub am Meer in 14 Tagen ein einziges Mal Schwimmen gewesen bin. Familie und Freunde habe ich gerne am Morgen verabschiedet und am Nachmittag freudig zurückerwartet. Unterdessen habe ich an einem Essay geschrieben. Da fiel mir auf: Du bist zwar kein Landwirt und kein Geschäftsmann geworden. Aber Du steckst da voll drin. Hinter deinem Rücken ist etwas in dir weiter lebendig. Das wolltest du doch ganz anders machen.

Das immerfort betriebsam sein steckt tief in mir drin. Die Arbeit niederlegen, Aus-Ruhen, einen Ruhetag halten – offen sein für Muße, für Spaziergänge, für unbeschwerte Stunden für Leib und Seele –  das liegt mir nicht im Blut.

Menschen wie mir muss das erst gesagt werden. So wie es im Gebot Gottes steht: „Vergiss nicht den Ruhetag zu halten!“ Gott, der Schöpfer der Welt, hat ihn gehalten und Du bist nun wirklich nicht kreativer und stärker.

Du brauchst diesen Tag und andere Auszeiten für alle anderen Zeiten. Für alle anderen Tage in der Woche. Komm raus aus der Daueraktivität. Ruhe dich aus. Erlebe etwas von der Muße Gottes. Sonst lebst du daran vorbei.

Es lohnt, sich bewusst in Familiengeschichten zu vertiefen. Man kann lange Schatten und verlorene Schätze entdecken.

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