SWR Kultur Wort zum Tag

06MRZ2025
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Ich tue mich schwer mit Beileidsbekundungen. Was für eine Karte wähle ich aus? Ist das Motiv zu ernst – oder zu verharmlosend? Zu esoterisch – oder zu biblisch-plakativ? Was schreibe ich, was sage ich? Wie schnell kann ein Wort über meine Lippen kommen – und ich spüre später:
Das hat nicht so gepasst. Das war daneben. Manchmal zögere ich so lange, bis ich denke: Ist es jetzt nicht schon zu spät? Einem Trauernden seine Anteilnahme auszudrücken, ist gar nicht so leicht. Oder doch?

Nach dem Tod meiner Mutter habe ich erfahren: Wie gut tut mir in der Trauer das eine Wort: „Mein Beileid!“ Auf der Straße im Dorf, beim Bäcker, beim Metzger. Aus der Nachbarschaft. Das eine Wort auf einer Karte im Briefkasten. Ein Händedruck – ein Blickkontakt. Ein Arm auf meiner Schulter. Und das eine Wort. Für mich kam das nie zu spät.

Überraschende Besuche habe ich erlebt. Und dabei Gespräche gehabt, so intensiv wie selten: über Ängste und Schmerzen. Über schöne Zeiten und Erinnerungen. Ein Wort genügt – und kann soviel in Gang setzen.

„Mein Beileid!“, sagt: Ich leide mit. Ich nehme Anteil an Deinem Schmerz. Wie Geschwister. Denn darin sind wir aufs Engste verwandt: Wir sind alle vergängliche Menschen, Trauernde im Abschied. Wir spüren das, wo wir versäumtes Leben und erfülltes Leben erinnern – und beides uns zu Tränen rührt.

Dem Raum zu geben ist so wertvoll. Für alle. Ich habe das Gefühl, das stärkt auch das Miteinander. Da pausieren Streit und Konkurrenz und Besserwisserei. Da haben Häme und bissige Worte nichts zu suchen. Jedenfalls für eine Weile.

In der Trauer und im Beileid können Menschen menschlich zueinander sein. Vielleicht ist das auch möglich und so heilend, weil im Zentrum der christlichen Religion ein Gott steht, der leidet und mitleidet: der am Kreuz gestorbene Sohn im Schoß seiner weinenden Mutter.

Nach so intensiven Erfahrungen will ich nicht mehr versäumen zu kondolieren. Ich will das nicht mehr auf die lange Bank schieben. Und mich auch nicht davon abhalten lassen, weil mir nichts „Originelles“ oder „Geistreiches“ einfällt. Denn darum geht es gar nicht. Es reicht ein Wort, das öffnet das ganze Herzensmiteinander: Mein Beileid!

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