SWR Kultur Lied zum Sonntag

16FEB2025
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Ein Mann zwischen zwei Frauen. Eine alte Geschichte. Sie sind Schwestern, und beide sind ihm sympathisch, jede auf ihre Art. Die eine punktet im Haushalt und zaubert kulinarische Köstlichkeiten, wenn er kommt, die andere – das genaue Gegenteil. Sie lässt alles stehen und liegen und hängt einfach nur an seinen Lippen, wenn er redet. Bei einem seiner Besuche kommt es schließlich zum Eklat: Die Häusliche steckt ihren Kopf aus der Küche und ruft dem Mann zu: „Sag meiner Schwester doch mal, dass sie mit anpacken soll. Mich unterstützen. Zuhören können wir dann immer noch!“ Aber sie hat sich verschätzt. Der Mann findet: „Du legst dich hier zwar mächtig ins Zeug, aber deine Schwester hat es besser gemacht. Eins nur ist not.“ Der Choral nimmt dieses Wort auf und spinnt den Gedanken fort:   

„Eins ist not!“ Ach Herr, dies Eine, lehre mich erkennen doch;
Alles andre, wie’s auch scheine, ist ja nur ein schweres Joch,
darunter das Herze sich naget und plaget und dennoch kein wahres Vergnügen erjaget.
Erlang ich dies Eine, das alles ersetzt, so werd‘ ich mit Einem in allem ergötzt.

Auch die Musik nimmt die unterschiedlichen Verhaltensweisen der Schwestern auf. Während die eine im gleichmäßigen Viervierteltakt zu Wort kommt, jagt, nagt und plagt die andere sich in einem wuseligen Sechsvierteltakt und kommt einfach nicht zur Ruhe. Der Rat des Mannes – es ist kein Geringerer als Jesus – geht aber über die konkrete Szene im Haus der Schwestern weit hinaus. Was nötig ist: Komm doch mal zur Ruhe, besinn dich, hör mir zu, und finde in meinen Worten das Leben.

Aller Weisheit höchste Fülle in dir ja verborgen liegt.
Gib nur, dass sich auch mein Wille fein in solche Schranken fügt,
worinnen die Demut und Einfalt regieret
und mich zu der Weisheit, die himmlisch ist, führet.
Ach, wenn ich nur Jesus recht kenne und weiß,
so hab ich der Weisheit vollkommenen Preis.

Welcher Typ bist du? Maria oder Marta? So heißen die beiden Frauen aus dem Lukasevangelium. Die in ihrer Geschäftigkeit gescholtene Marta ist in den letzten Jahren umfänglich rehabilitiert worden. Vor allem von Frauen. Von Frauen, die sich gern als Multitasking verstehen, als Maria-und-Marta-in-einem. Den Haushalt wuppen und nebenbei eine aufmerksame Zuhörerin sein – das schaffen wir doch mit links. Vielleicht ist es aber an der Zeit, uns mal unterbrechen zu lassen und eine Pause zu gönnen. Mal wieder auf Jesus zu hören. Auf sein einseitiges Werben, hinzuhören. Wie Maria. Und mal alles andere aus der Hand zu legen, um das Leben nicht zu verpassen und zu finden, was not ist.  

Seele, willst du dieses finden, such’s bei keiner Kreatur.
Lass, was irdisch ist, dahinten, schwing dich über die Natur,
wo Gott und die Menschheit in Einem vereinet, wo alle vollkommene Fülle erscheinet;
da, da ist das beste, notwendige Teil, mein Ein und mein Alles, mein seligstes Heil.

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Musikangaben:

Text: Johann Heinrich Schröder (1695)
Komposition: Johann Sebastian Bach
Eins ist Not! ach Herr, dies eine. Geistliches Lied für Singstimme und Basso continuo,
BWV 453. Ausgeführt mit Vokalensemble und Orgel
Choral Gut - 500 Jahre evangelischer Choral
Schneider, Arno; Athesinus Consort Berlin; Bresgott, Klaus-Martin

 

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