SWR1 3vor8

09FEB2025
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Ende Januar habe ich mich einer besonderen Herausforderung gestellt. Viel hat es dafür nicht gebraucht. Nur PC, Internet und ein paar Minuten Zeit. Die Challenge hieß „Everynamecounts“, also „Jeder Name zählt“. Anlass war der 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz und die Aufgabe war, dass innerhalb einer Woche fast 30.000 Häftlingspersonalkarten für ein online-Archiv digitalisiert werden sollten.

Gestartet haben die Challenge die Arolsen Archives, das weltweit größte Archiv zu den Opfern und Überlebenden des Nationalsozialismus. Sie haben die Häftlingspersonalkarten eingescannt und dann Freiwillige gesucht, die mithelfen, Namen und Geschichten der KZ-Inhaftierten sichtbar zu machen. Viele haben mitgemacht und wie ich Namen und Vornamen, Geburtsdaten, letzter Wohnort, Religion, aber auch die Häftlingsnummern eingegeben. Ich musste manches Mal kräftig schlucken und tief durchatmen, wenn ich gesehen habe, wie jung die Menschen waren, als sie ins KZ gekommen sind. Und das nur, weil sie Juden waren oder homosexuell oder nicht ins System der Nazis passten.

Einmal mehr wurde mir bewusst, dass so etwas nie wieder geschehen darf, und dass es an uns allen liegt, unsere Gesellschaft mitzugestalten. Wir sollten gut aufeinander achtgeben, damit Minderheiten nicht übersehen oder noch mehr benachteiligt werden. Weil sie die Sprache nicht können, weil sie Kinder sind oder krank oder weil sie das Geld nicht haben, um gesellschaftlich mithalten zu können: Andere Klamotten, Urlaub nur zuhause. Schnell ist man außen vor.

                                                                                                       

Mir macht Mut, dass zur Zeit viele Menschen auf die Straße gehen – für die Demokratie und gegen Rechtsextremismus. Davon wird nicht sofort alles besser, aber ich hoffe, dass viele sich dadurch aufrütteln lassen, berühren lassen und in ihrem Umfeld genauer hinsehen und hinhören. Und dass sie dann merken, was sie anpacken und verändern können. Sei es, sich so kurz vor der Bundestagswahl noch einmal gut zu informieren, oder sich für den Kollegen einzusetzen, mit dem sich viele schwer tun.

 

In katholischen Gottesdiensten ist heute der Abschnitt aus der Bibel zu hören, in dem Jesus die ersten Menschen auffordert, mit ihm zu gehen, ihm nachzufolgen. Simon, Jakobus und Johannes werden mitten aus ihrem Alltag als Fischer gerissen (vgl. Lk 5,1-11). Und was heißt „Jesus nachfolgen“ heute? Vermutlich gehört dazu, dass ich, wenn ich als Christ leben möchte, immer wieder meine Gewohnheiten überdenke. Dass ich vielleicht auch Nachteile in Kauf nehme. Dass ich mich ergreifen und hinterfragen lasse von einem Gott, der uns Menschen braucht, damit seine Botschaft in der Welt ankommen kann. Die Botschaft von einem gütigen und menschenfreundlichen Gott. Einem, der sich gerade der Schwachen annimmt. Und für den jeder Mensch zählt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41578
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