SWR1 Begegnungen

09FEB2025
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Volker Jung EKHN/Peter Bongard

16 Jahre lang war Volker Jung der Kirchenpräsident der EKHN, der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, zu der auch ein Teil von Rheinland-Pfalz gehört. Im Januar ist er in den Ruhestand verabschiedet worden. Ich treffe ihn, um mit ihm gemeinsam zurück- und vorausblicken.
Schon in seiner Zeit als Gemeindepfarrer und Dekan im Vogelsberg war Volker Jung auch kirchenpolitisch engagiert. Und als 2008 ein neuer Kirchenpräsident gewählt werden sollte, da meinte seine Tochter: „Wenn du gefragt wirst, dann musst du es versuchen!“ Als neuer Kirchenpräsident ist er nach Darmstadt umgezogen – ein Wechsel mit Konsequenzen für die ganze Familie:

Die Belastungen in diesem Amt, auch die terminlichen Belastungen, die sind doch erheblich. Da mussten wir dann schon einen Weg finden, miteinander umzugehen. Für meine Frau war das auch nicht so einfach, die auch berufstätig war, und die gesagt hat: „Ich muss mich da neu darauf einstellen.“, die damals, ähm, nicht so gerne nach Darmstadt gegangen ist und heute aber an einem Punkt ist, dass sie sagt: „Ach jetzt würde ich am liebsten in Darmstadt bleiben.“

Vorsitz der Kirchenleitung, Finanzplanung, Sitzungen, Repräsentation… Trotz der Fülle an neuen Aufgaben hat Volker Jung Mit einem großen Vorsatz sein Amt damals angetreten:

Ich hab damals mit meiner Aussage in der Synode: „Ich will als Pfarrer Kirchenpräsident werden und als Kirchenpräsident Pfarrer bleiben“, versucht zu zeigen, dass das Pfarrer-Sein für mich eine Grundhaltung bedeutet. Und deshalb habe ich immer Wert darauf gelegt, in Gottesdiensten zu predigen, in Gemeinden zu sein, wenn ich eingeladen wurde, oft bei Jubiläen und Festen und dort auch mit Menschen zu reden und nahbar zu sein.

Und das Gespür dafür nicht zu verlieren, was die Menschen an der Basis bewegt. Volker Jungs Amtszeit war geprägt von den vielen Krisen, die in den vergangenen Jahren von außen auf die Gesellschaft und damit auch auf die Kirche zukamen, auf die er als Kirchenpräsident natürlich reagieren musste:

Damals, als ich anfing, war gerade die Finanzkrise das große Thema, die Weltfinanzkrise. Und dann kam kurz darauf Fukushima, der Ausstieg aus der Atomenergie. Das sind so die großen politischen Ereignisse. Immer war das Thema Aufnahme von Flüchtlingen, Migration und Integration ein großes Thema. Das reicht bis hin zur Corona-Pandemie, die uns vor Herausforderungen gestellt hat, die wir bisher überhaupt nicht im Blick hatten.

Für Volker Jung hat das bedeutet: Im Gespräch zu bleiben mit Verantwortungsträgern, Hilfsangebote für Geflüchtete zu schaffen, gemeinsam Wege zu suchen gegen Vereinsamung während Corona. Für Volker Jung eine herausfordernde Zeit, aber auch eine, die ihn persönlich sehr bereichert hat. Und obwohl ihn sein Amt so manches Mal an seine Grenzen gebracht hat, sagt Volker Jung heute:

Es hat mir aber auch unglaublich viel gegeben. Viele, viele Begegnungen. Es hat mir noch mal neue Horizonte geöffnet. Ich habe Kirche noch einmal anders verstanden, denken müssen auch aus der leitenden Funktion heraus und hab unglaublich viele spannende, interessante Menschen kennengelernt. Das möchte ich unbedingt behalten. Und das hat mich sicher auch verändert. Aber es hat mir noch mal die Fülle unserer Kirche gezeigt, die ich dadurch auch noch einmal auf eine andere Weise liebgewonnen habe.

Ich habe Volker Jung gefragt, ob das Amt als Kirchenpräsident seinen Glauben verändert hat, ihn manchmal vielleicht sogar auf die Probe gestellt hat:

Das ist für mich ganz schwer zu sagen, weil mit dem Amt auch natürlich bestimmte Aufgaben verbunden sind mit dem Amt auch bestimmte Erfahrungen, auch bittere Erfahrungen, auch der Blick in manchen Abgrund, auch in der Kirche. Das hat wehgetan und tut weh und stellt auch wirklich den Glauben auf die Probe. Es bedeutet immer, sich neu auf Gott auszurichten und auch Gott darum zu bitten, in solchen Situationen Kraft und Halt zu bekommen. Das habe ich, soweit ich es für mich selber sagen kann, zum Glück nicht verloren.

Sich den Abgründen stellen, Fehler und Verfehlungen – wie den Umgang mit sexualisierter Gewalt in der Kirche - aufarbeiten und Konsequenzen ziehen für die Zukunft – das gehört für Volker Jung zum Amt eines Kirchenpräsidenten oder einer -präsidentin. Seiner Nachfolgerin, Christiane Tietz, die seit Jahresbeginn dieses Amt inne hat, wünscht er dafür die nötige Kraft und Weitsicht.  

Ich wünsche meiner Nachfolgerin Christiane Tietz, die ich wirklich sehr schätze, dass sie in diesem Amt immer Wege findet, aus der theologischen Arbeit heraus auch Impulse in diese Kirche hineinzugeben. Und dass sie dabei selbst auch eine Erfüllung für sich findet. Und dann wünsche ich ihr auch viele Menschen, die mit ihr zusammen diese Kirche leiten, diese Kirche gestalten.

Als Kirchenpräsident hat sich Volker Jung in den Ruhestand verabschiedet. Aber Pfarrer zu sein, das ist seiner Überzeugung nach eine Lebenshaltung. Deshalb wird sich Volker Jung auch im Ruhestand weiter engagieren. Und wünscht seiner Kirche für die Zukunft,

dass das, was sie, glaub ich, wirklich auszeichnet, das gute Zusammenspiel von hauptamtlich und ehrenamtlich engagierten Menschen, dass das weiter gepflegt wird und dass das dann auch neue Kraft entfaltet. Für die nächsten Jahre und Jahrzehnte.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41577
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