SWR Kultur Wort zum Tag
Schwimmen zwei junge Fische nebeneinanderher. Kommt ihnen ein alter Fisch entgegen und sagt: „Morgen, Jungs. Wie ist das Wasser?“ Und schon ist er wieder weg. Sagt der eine junge Fisch zum andern: Was ist das eigentlich: Wasser?
Diese kurze Fabel hat der amerikanische Schriftsteller David Foster Wallace in einer Rede zur Abschlussfeier an einem College vorgetragen. Seine Botschaft an die jungen Menschen verstehe ich so: Nehmt die Welt um euch herum mit wachen Augen und mit klarem Verstand wahr. Stellt die richtigen Fragen. Und vor allem: Lasst euch selbst in Frage stellen. Gerade leben wir ja in sehr unsicheren Zeiten. Alte Wahrheiten sind am Zerbrechen. Und was sich da an Neuem bemerkbar macht, lässt es mir manchmal schon kalt den Rücken herunterlaufen. Ich glaube, da hilft es, sich über manche Dinge ganz grundsätzlich Gedanken zu machen.
Was ist eigentlich Wasser? Für mich ist klar: Das Wasser, der Lebensraum, in dem ich leben möchte, muss eine klar nachzuvollziehende Zusammensetzung haben: Werte der Mitmenschlichkeit und der Humanität sind das. Die Bereitschaft, andere Menschen wahrzunehmen, ihnen zuzuhören, von ihnen zu lernen. Der Verzicht darauf, andere kleinzumachen und auszugrenzen.
Wenn ich einer der jungen Fische wäre, würde ich mich vielleicht doch auch fragen: In was für einem Element bewege ich mich eigentlich? Was „umgibt mich“ in meinem Leben „von allen Seiten?“ wie es in einem Psalm heißt? Meine eigene Antwort hängt ganz eng mit meinem Glauben an Gott zusammen. Von allen Seiten möchte ich mich von Gott umgeben fühlen. Es gelingt mir längst nicht immer. Und es macht das Leben auch nicht einfacher. Man muss da nämlich auch mal in die Gegenrichtung schwimmen wie der alte Fisch in der Fabel. Man muss sich vor Raubfischen in Acht nehmen. Manchmal kann auch der Sauerstoff knapp werden. Aber wenn ich weiß, in welchem Lebensraum ich mich bewege, dann finde ich meine eigene Antwort auf die Frage: Wasser – was ist das eigentlich? Dann nehme ich das Wasser wahr als meinen Lebensraum, in dem ich mich bewegen und bergen kann. Wenn es Gott ist, der mich umgibt, lässt mich das hoffentlich gestärkt und zuversichtlich im Leben unterwegs sein.
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