SWR4 Abendgedanken

12FEB2025
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„Wenn der Keks redet, hat der Krümel Pause!“ Das sagt meine Freundin ihrem Sohn Leo. Weil er uns mitten im Gespräch unterbricht. Ich muss lachen.  Als ich Leo dann anschaue, bleibt mir das Lachen im Hals stecken. Der Kleine findet den Satz gar nicht lustig.

Das war doch nicht böse gemeint. Trotzdem beißt sich Leo auf die Lippen und scheint kurz davor, loszuweinen.

Für ihn hat der Satz noch eine andere Botschaft. Er versteht: „Was du sagen willst, kann niemals so wichtig sein, wie das Gespräch zwischen Erwachsenen.“ „Deine Meinung und deine Bedürfnisse sind unwichtig, denn du bist klein und unwichtig.“ Puh, wie schlimm muss es sein, sowas zu hören. Vielleicht wäre es besser gewesen zu sagen: „Lass uns kurz ausreden, dann bist du dran und wir hören dir dann aufmerksam zu.“

Leo tut mir leid. Dabei werden Kinder öfter mal zum Schweigen gebracht. Egal mit welchen Sätzen.  Sofort bin ich froh, dass sich meine Mama in meiner Kindheit an einem gegensätzlichen Vorbild orientiert hat. An dem eines Mannes, der gesagt hat: „Lasset die Kinder zu mir kommen.“ Dieser Mann heißt Jesus. Jesus hat das vor über zweitausend Jahren gesagt. Vor zweitausend Jahren!! Schon damals haben Erwachsene Kinder zurückgehalten. Auch sie haben gedacht, dass Jesus nicht von „bedeutungslosen“ Ansichten “kleiner Krümel“ belästigt werden sollte. Offenbar ganz überzeugt davon, dass es Menschen gibt, die nichts zu melden haben, Menschen, die man kleinhalten muss. Puh, was für ein toxischer Gedanke!

Mir gefällt es, dass Jesus keinen Unterschied macht zwischen Groß und Klein, sondern jedem gleichermaßen zuhören will.

Dass Menschen zum Schweigen gebracht und kleingehalten werden, gibt es in allen Generationen und Ländern. Besonders hart trifft das wohl Kinder und schwächere Menschen; Denen kann man leicht sagen: „Darüber spricht man nicht.“ „Für deine Gefühle und Meinungen ist jetzt keine Zeit.“ Man kann sie und ihre Probleme kleinreden. Ja und dann?

Niemand bleibt ewig ein Kind, aber geschwiegen wird weiter. Denn wenn man Regeln einmal gelernt und verinnerlicht hat, orientiert man sich oft sein Leben lang daran. Auch als Erwachsener. Viele verhalten sich dann so, wie es ihnen beigebracht wurde: schweigen, und geben es an die nächste Generation weiter.

Ich möchte meinen Kindern vermitteln, dass es wichtig ist, was Menschen sagen. Egal, wie klein sie sind oder wie klein sie sich fühlen. Deshalb achte ich darauf, sie wertschätzend zu behandeln, ihnen auf Augenhöhe zu begegnen und ihnen genau zuzuhören.

Gerade in Anbetracht der anstehenden Wahlen wird deutlich, wie wichtig es ist, dass Menschen lernen, sich nicht klein zu machen. Eine Meinung zu haben und für das einzustehen, was sie als gut und richtig empfinden.

Demokratie lebt vom Sprechen miteinander. Nicht vom Schweigen.

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