Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Begegnungen können einen verändern. Und ich denke, Jesus ging es auch so. Ich habe dazu eine Geschichte im Markusevangelium gelesen: Jesus ist gerade in einem Haus in Tyrus. Ganz wohl fühlt er sich im Nachbarland seiner Heimat nicht, mit der so ganz anderen Religion und Kultur.
Eine Einheimische hat mitbekommen, dass Jesus da ist. Sie hofft auf Hilfe für ihre kranke Tochter. Sie kommt ins Haus, fällt vor Jesus auf die Füße und fleht ihn an: „Bitte mach meine Tochter gesund.“
Wie er ihr jetzt antwortet, muss der Frau weh getan haben, und es schockt mich auch:
„Lasst zuerst die Kinder satt werden; denn es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den kleinen Hunden vorzuwerfen.“
Die Frau gibt nicht klein bei, sie hat nichts zu verlieren und antwortet: „Meister! Aber auch die kleinen Hunde unter dem Tisch essen von den Brotkrumen der Kinder.“
Jesus kommt ins Nachdenken und antwortet: Weil du das gesagt hast, sage ich dir: „Geh nach Hause, deiner Tochter geht’s gut“. Und so war es wirklich. Als sie heimkam, lag die Tochter gesund in ihrem Bett.
Die Begegnung hat Jesus verändert. Gekommen war er mit dem Entschluss: „Ich kümmere mich nur um meine eigenen Leute“. Die Leute aus diesem Land beuten uns aus. Sie machen einen Reibach mit unserem Getreide. Warum soll ich auch nur den Finger für sie krumm machen.
Aber diese fremde Frau ist mutig. Sie lässt nicht locker, selbst als Jesus sie übel beleidigt und sie mit Hunden vergleicht.
Und ihre Haltung verändert Jesus. Sie knackt seinen Panzer und er findet wieder zu seinen göttlichen heilenden Kräften.
Durch die Begegnung ist sein Herz weicher geworden und sein Horizont weiter. Was für ein Segen, wenn Menschen einander zuhören. Wie gut, wenn Menschen nicht nur übereinander sprechen, sondern miteinander; wenn Vertrauen entsteht und Leute ihre Deckung fallen lassen.
Wie gut, dass die Frau drangeblieben ist. Wie gut, dass Jesus sie nicht unterbrochen und sie nicht weggeschickt hat. Er hat sich von ihr in Frage stellen lassen. Das braucht es, damit Gesellschaften nicht auseinanderdriften. Wir brauchen keine Ewiggestrigen, für die Vielfalt ein Graus ist, sondern Menschen, die sich auf echte Begegnungen einlassen und dazulernen.
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