SWR Kultur Wort zum Tag

11FEB2025
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Ich aber sage Euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die Euch verfolgen…“, sagt Jesus in der sogenannten Bergpredigt. Diese Stelle, das Gebot der Feindesliebe, war und ist sehr bekannt und wirkmächtig. Und sie hat Sprengkraft. Denn von einem Menschen zu fordern, dass er seine Feinde lieben soll, das ist schon eine ganz schöne Zumutung.

Die Feindesliebe könnte so verstanden werden, dass man die Feindschaft überwinden und zu Freunden werden soll. Das ist sicherlich gut und wünschenswert, aber davon spricht Jesus nicht. Vielleicht ist die erste Frage hier, wer in meinem Leben überhaupt ein Feind ist. Jesus spricht ja von Feinden, also geht er davon aus, dass es Feinde gibt. Und es ist ja auch so. Es gibt Menschen, mit denen wir nicht können. Die wir ablehnen, die völlig anderer Meinung sind, mit denen wir nichts zu tun haben wollen. Menschen, mit denen wir einfach nicht zusammen kommen. Die im weiteren Sinne unsere Feinde sind. Wenn wir die lieben sollen, stellt sich die Frage, wie diese Liebe dann aussehen soll?

Liebe hat ja viel mit Zuwendung, mit Sympathie, mit Vertrauen und Zärtlichkeit zu tun. Soweit denkt Jesus aber vielleicht gar nicht. Er kennt uns ja, er weiß, dass wir nicht die friedliebendsten Wesen sind und dass unsere Liebesfähigkeit begrenzt ist. Er kennt unseren Zorn und unser Argwohn. Er weiß, wie wir sind. Er weiß, dass es höchst unwahrscheinlich ist, dass wir uns alle immer liebhaben. Ich denke, er meint es viel einfacher und pragmatischer. Es ist so, dass wir Feinde haben. Dennoch ist jeder Feind ein Mensch, hat seine Rechte, seine Würde, ist ein Kind Gottes. Vielleicht ist die Feindesliebe schon genau das: Die Würde des anderen anerkennen. Die Liebe zu dem Feind ist dann vielleicht einfach dadurch gegeben, wenn wir ihn nicht hassen. Wenn wir ihn nicht zerstören oder auslöschen wollen. Ich muss ihn nicht wie meinen Ehepartner oder meinen besten Freund ins Herz schließen. Ich muss nicht immer für ihn da sein. Aber ich muss ihn auch nicht bekämpfen, überfallen oder gegen ihn hetzen. Vielleicht kann daraus irgendwann auch Freundschaft werden, das mag sein, aber zunächst reicht es schon, wenn ich ihn einfach nicht hasse.

Das klingt nach ganz wenig, ist aber schon ganz schön viel. Wenn wir Menschen das bislang besser hinbekommen hätten, dann sähe die Welt heute anders aus. Die Liebe wird oft zu einem großem, schillernden Ideal verklärt, sie ist aber bescheiden und fängt ganz klein an: Sie ist schon da, wo wir uns nicht hassen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41531
weiterlesen...