SWR4 Abendgedanken
Die Zeit vor einer Wahl ist eine seltsame Zeit. Wahlkampf nennt es sich, was jetzt geschieht, wenn sich die Parteien um Aufmerksamkeit und Wählerstimmen bemühen. Ich hoffe ja, dass sie aufrichtig miteinander wetteifern. Aber vielerorts ist es wirklich ein Kampf. Und die Mittel, mit denen gekämpft wird, sind nicht immer fair.
Wahlkampf gibt es auch in der Bibel. Sie erzählt, dass das junge Christentum vor fast 2000 Jahren jede Menge Konkurrenz hatte. Viele verschiedene Religionen und Weltanschauungen haben damals miteinander gewetteifert. Was hat es damals im römischen Reich nicht alles gegeben! Archaisches Brauchtum, der Vielgötterglaube der Griechen, die Naturreligionen Afrikas, politische Gruppen, Regierungen und Befreiungsbewegungen: Auch vor 2000 Jahren mussten Menschen sich entscheiden, was für ihr Leben gelten soll und wo sie dazugehören wollen. Im Wettbewerb der Religionen ist das Christentum damals eine leise, schwache Stimme gewesen. Und trotzdem sind immer mehr dazugekommen. Wahrscheinlich, weil sie sich, ihre Ängste und Hoffnungen hier wiedergefunden haben und Antworten bekommen haben auf ihre Fragen; und weil sie ihren Glauben in den jungen Gemeinden glaubwürdig leben konnten.
In der Bibel gibt der Apostel Paulus den frühen Christen einen Rat. In einem Brief schreibt er: Niemand soll mehr von sich halten, als sich's gebührt. (Röm 12, 3) Vielleicht war es nötig, dass Paulus das schreibt, weil es auch damals schon Leute gegeben hat, die sich für besser gehalten haben als andere: solche, die sich selbst in den Mittelpunkt gestellt haben; und die dabei aus den Augen verloren haben, worum es wirklich geht. Ich finde, Paulus gibt einen guten Rat: gegen Überheblichkeit und für den rechten Umgang miteinander.
Mich überzeugen Menschen, die sich mit Bedacht für eine Sache einsetzen, mehr als solche, die andere beschimpfen und geringschätzen.
Ein Rat, der auch in unseren Wahlkampf passt, finde ich: Klar sollen sich die verschiedenen Parteien miteinander messen – aber bitte um der Sache willen. Ich würde mir deshalb wünschen, dass es auch bei den politischen Wahlen heutzutage ohne Streit und Beschimpfungen, ohne Überheblichkeit oder Angriffe zugehen könnte. Damit die Menschen die Partei wählen, die mit Argumenten überzeugt und sie mit Bedacht vorbringt.
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