Anstöße SWR1 RP / Morgengedanken SWR4 RP
Migration. Das ist das Hauptthema im derzeitigen Wahlkampf. Am Mittwoch fand dazu im Bundestag eine Abstimmung statt, die als historisch eingestuft wird. Damit verbunden sind Begriffe wie: Brandmauer, Tabubruch, Zeitenwende. Mich interessieren diese Begriffe nicht, weil sie zwar Emotionen wecken, aber von den Inhalten wegführen. Mich interessiert in erster Linie, worüber der Sache nach abgestimmt wurde, und ich mache mir Gedanken, wie ich als Christ dazu stehe. Denn heute wird es im Bundestag eine weitere Abstimmung dazu geben, aus der dann ein Gesetz werden soll. Es heißt: „Zustrombegrenzungsgesetz“. Ein hässliches Wort, wo es doch um Menschen geht. Menschen wie mich, auch wenn sie nicht in Deutschland geboren sind. Aber sie suchen Schutz hier, weil sie verfolgt werden oder nichts zu essen haben. Weil sie als Familie zusammen sein wollen und nicht Tausende von Kilometern getrennt. Was alles zu beweisen wäre. Ganz einverstanden. Aber solange gilt bei uns das Asylrecht, das in unserer Verfassung verankert ist. Ein Recht, das auch tief mit meinem Glauben verbunden ist. Weil vor Gott jeder Mensch gleich ist und es bei ihm keine Rolle spielt, welche Nation oder Herkunft jemand hat. Im Gegenteil: Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken[1], sagt Jesus. Weil sie schwach sind oder verwirrt oder hoch traumatisiert. So ein Kranker hat in Aschaffenburg ein kleines Kind aus Marokko ermordet und den Mann, der dazwischenging. Da gibt es nichts zu entschuldigen. Da braucht es Recht und Gesetz. Wo Menschen andere in Gefahr, gar um ihr Leben bringen, gehören sie in Gewahrsam. Und zwar rechtzeitig, bevor etwas Schlimmes geschieht.
Aber das alles ist für mich kein Grund zur Scharfmacherei und nun alle, die als Fremde zu uns kommen über einen Kamm zu scheren. Es ist erst recht kein Grund, das aufs Spiel zu setzen, was unsere Demokratie seit achtzig Jahren stark gemacht hat. Und es darf nicht dazu führen, mit denen gemeinsame Sache zu machen, die völkisch-national denken. Auch nicht, wenn man damit pragmatisch seine Interessen durchsetzen kann. Da steht für mich ganz klar meine christliche Überzeugung über der politischen Taktik.
[1] Matthäus 9,12
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